Angesichts der aktuell hohen Inflation in der Eurozone hatte die Zentralbank nun auch keine andere Wahl. Wiewohl die EZB bereits lange in der Kritik stand, zu zögerlich in ihrer Vorgangsweise im Kampf gegen die Inflation zu sein und zu lange die Zinsen nicht erhöht zu haben, wurde auch die aktuelle Anhebung kritisiert. Denn: zu wenig Berechenbarkeit der geldpolitischen Entscheidungen, so der Vorwurf etwa des deutschen Analysten Bastian Hepperle.
"Entschlossen und nachhaltig"
Schon im Juni hatte EZB-Direktorin Christine Lagarde angekündigt, dass die Zentralbank den Prozess zur Normalisierung „entschlossen und nachhaltig“ fortsetzen werde. Fritz Mostböck, Chefanalyst der Erste Group, bewertet die gestrige Entscheidung so: „Die EZB hat sich lange geziert, ist aber jetzt wieder zu einer ernsthaften Größe geworden.“ Der schwache Euro dürfte neben der hohen Inflation sein Übriges zur Entscheidung beigetragen haben. Wohl habe die EZB auch deswegen jetzt entsprechend gegengesteuert. „Die Fed ist bis dato viel radikaler vorgegangen.“
Hilfsprogramm
Gleichzeitig mit der Zinsanhebung hat die EZB auch ein Programm zur Unterstützung von Staaten bei Turbulenzen an den Finanzmärkten angekündigt. Ein Grund für die Zögerlichkeit bei den Zinsanhebungen war ja die Befürchtung, dass hoch verschuldete Staaten wie Italien die Kreditzinsen dann nicht mehr bedienen können. Das Programm soll „ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken“ entgegenwirken. Auch auf dieses Hilfsprogramm – Transmission Protection Instrument TPI – hat sich der EZB-Rat geeinigt.
Es soll grundsätzlich allen Staaten zugänglich sein, der EZB-Rat werde bei jedem Staat entscheiden, ob das Programm aktiviert werde, so Lagarde. „Das wirkt alles sehr entschlossen“, konstatiert Fritz Mostböck. Kritikerinnen und Kritiker befürchten aber bereits, dass die EZB in rechtlich gefährliches Fahrwasser gelangen könnte, wenn Staaten wie Italien inmitten einer Regierungskrise gestützt werden.
Weitere Zinsschritte
Ob und vor allem, in welcher Höhe die EZB in den Sitzungen im September und Dezember an der Zinsschraube drehen wird, will Mostböck nicht prognostizieren.
In Österreich gab es auch von der Politik, konkret von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), Beifall für die Erhöhung. „Ich vertraue darauf, dass weitere Schritte gesetzt werden, wenn es die Inflationsdynamik erfordert. Wichtig ist, dass sich die Zentralbank dabei auf ihr Primärmandat besinnt, nämlich die Gewährleistung der Preisstabilität in der Eurozone.“ Er sieht aber auch die Mitgliedsstaaten in der Pflicht, die „mittel bis langfristig die Budgets in Ordnung“ bringen sollen. Dann hätte die EZB den Handlungsspielraum, den es „im Kampf gegen die Inflation“ brauche. Die neuen Zinssätze gelten ab 27. Juli.
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