Nun wird es also ernst. Bei der morgigen Zinssitzung der EZB gilt die erste Anhebung seit elf Jahren als fix, hat doch auch Präsidenten Lagarde dies bereits vor einiger Zeit bestätigt. Eigentlich gingen de facto alle Beobachter davon aus, dass es vorläufig nur einen Minischritt von 0,25 Prozentpunkten geben wird. Erst im September sollte eine größere Anhebung erfolgen, wie auch Lagarde durchblicken hatte lassen.
Nun aber berichten die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg unter Verweis auf Insidern, dass es schon jetzt durchaus 0,5 Prozentpunkte seien könnten. Grund sei die von Monat zu Monat stärker steigende Inflation. „Es wäre überraschend, wenn sie sich für eine Anhebung um 50 Basispunkte entscheiden würden, da die Mehrheit der Entscheidungsträger eine Anhebung um 25 Basispunkte signalisiert hat“, sagte Nordea-Analyst Jan von Gerich. In der Tat sitzen nur wenige Hardliner im EZB-Gremium, unter anderen Österreichs Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann. Es ist daher unwahrscheinlich, dass sie sich durchsetzen.
Euro steigt
Dennoch reagierten die Finanzmärkte auf die Meldungen prompt. Der Euro stieg um ein Prozent auf 1,0245 Dollar. Bei Euro-Staatsanleihen kam es zu Abverkäufen in der Hoffnung, dass künftige Anleihen höhere Renditen abwerfen würden.
Zugleich zeichnet sich den Insidern zufolge eine Einigung auf ein umstrittenes EZB-Programm ab, mit dem hoch verschuldete Staaten wie Italien am Anleihenmarkt weiterhin gestützt werden könnten. Voraussetzung dafür, dass einem Land mit diesem neuen Instrument geholfen wird, soll demnach sein, dass es sich an Vorgaben der EU-Kommission mit Blick auf Reformen und Haushaltsdisziplin hält. Dabei sollen auch die Regeln des EU-Stabilitätspakts wieder eine Rolle spielen, wenn sie nächstes Jahr wieder greifen. Sie sind derzeit wegen der Pandemie ausgesetzt.
Experten verweisen darauf, dass die EZB in rechtlich gefährliches Fahrwasser geraten könnte, sollte etwa Italien inmitten einer Regierungskrise gestützt werden.
Kritiker haben solche Käufe der EZB schon immer als verkappte Staatsfinanzierung angesehen. Gegner früherer EZB-Anleihen-Kaufprogramme waren erfolglos bis vor das deutsche Verfassungsgericht gezogen. Laut Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen deutschen Förderbank KfW, ist es „fast so sicher wie das Amen in der Kirche“, dass das auch beim neuen Programm passieren würde.
Eigentlich ist der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB Anfang Juli beendet worden. Weiterhin dürfen aber Gelder aus auslaufenden Wertpapieren in Anleihen reinvestiert werden.
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