14-jähriges Dior-Model sorgt für Aufregung

Die 14-jährige Sofia Mechetner bei der Haute-Couture-Schau von Dior im Juli
Dass Sofia Mechetner für Dior lief, sorgte für Empörung – doch die Israelin hat eine berührende Geschichte.

Elfengleich schwebt sie über den Laufsteg, die Haare offen, das Make-up dezent. Das transparente Walle-Kleid, das sie trägt, gibt den Blick auf ihren nackten Busen frei. Sie sieht aus wie jedes andere Model von Dior – und ist doch ganz anders. Denn Sofia Mechetner ist erst 14 Jahre alt, als sie eine der bedeutendsten Haute-Couture-Shows in Paris eröffnet.

14-jähriges Dior-Model sorgt für Aufregung
epa04834215 A model presents a creation from the Fall/Winter 2015/2016 Haute Couture collection of Belgian designer Raf Simons for Dior during the Paris Fashion Week, in Paris, France, 06 July 2015. The presentation of the Haute Couture collections runs from 05 to 09 July. EPA/CAROLINE BLUMBERG

Dem Auftritt beim Fashion-Spektakel Anfang Juli folgte ein Aufschrei in der Modewelt – das Mädchen aus Israel sei viel zu jung, um Haute Couture zu präsentieren, die Wahl von Dior-Chefdesigner Raf Simons provokant und unmoralisch. In den sozialen Netzwerken wuchs die Empörung über die weiße Tunika, die zwar hochgeschlossen, aber eben durchsichtig war. Die Huffington Post veröffentlichte ein Foto mit verpixeltem Oberkörper. Die Begründung: Sofia sei noch nicht 16 und somit zu jung, um ihre nackten Nippel in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Modernes Aschenputtel

Die Kritik wurde leiser, als Sofias "Cinderella Story" bekannt wurde: Der Teenager wuchs mit zwei Geschwistern in Holon, einer kleinen Stadt südlich von Tel Aviv, auf. Ihre Eltern ließen sich scheiden, als Sofia zehn war. Die Mutter, eine russische Immigrantin, jobbte als Putzfrau und Näherin, um die Familie über Wasser zu halten.

Sofia verbrachte ihre Tage damit, für ihren Bruder und ihre Schwester zu kochen, die Wäsche zu waschen und die kleine Wohnung zu putzen, wie sie dem israelischen Fernsehsender Channel 2 erzählte. Weil im Kinderzimmer nicht genug Platz war, schlief das blonde Mädchen auf einer Matratze auf dem Fußboden.

Immer wieder wurde die 1,78-Meter große Jugendliche auf ihre Schönheit angesprochen, bis sie sich schließlich bei einer Modelagentur in Tel Aviv vorstellte. "Ich sah sie und wusste sofort, dass sie einzigartig war", sagte Roberto Ben Shoshan, Gründer der Agentur, im israelischen Fernsehen. Er war von Sofias Anmut so begeistert, dass er sie zu einer Pariser Agentur schickte – wo sie aufgrund ihres Alters zuerst abgelehnt wurde.

Ein glücklicher Zufall brachte den entscheidenden Karriereschritt: In einer Dior-Boutique traf sie Raf Simons, den Chefdesigner des Traditionshauses. Ihre Begleitung machte die beiden bekannt, man tauschte Telefonnummern aus. Simons kontaktierte jene Agentur, die Sofia zu jung gefunden hatte – und buchte das Mädchen, das noch nie zuvor über einen Laufsteg gegangen war, für seine nächste Show in Paris.

Kunst, nicht Sex

Sowohl Roberto Shoshan, bei dem Sofia immer noch unter Vertrag ist, als auch das Model selbst haben sich mittlerweile zur Kritik geäußert. Das Mädchen werde gut betreut, rechtfertigte sich Shoshan auf Anfrage des KURIER. "Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Ich begleite sie überall hin und gebe Acht auf ihre Bedürfnisse. Sie ist quasi nie alleine." Trotz ihres jungen Alters sei Sofia "sehr professionell und verantwortungsbewusst".

Der Jerusalem Post, die Mechetner als "Israels aufstrebendes Supermodel" feierte, sagte die Newcomerin, angesprochen auf das transparente Haute-Couture-Kleid: "Nur Israel kann daraus so eine große Sache machen. Bei Nacktheit in der Mode geht es um Kunst, nicht um Sexualität."

Inzwischen hat Sofia einen Zwei-Jahres-Vertrag bei Dior unterschrieben. Mit der großzügigen Gage will sie für ihre Familie eine größere Wohnung kaufen – und ein Bett für ihre Matratze.

Ein Mal im Jahr veranstaltet die Wiener Agentur Stella Models ein öffentliches Casting, wo Nachwuchsmodels ihr Talent unter Beweis stellen können. Ab 17 Jahren dürfen sich Burschen auf dem Laufsteg präsentieren, Mädchen ab 14 Jahren.

Wenig überraschend also, dass Roberta Manganelli, Chefin und Gründerin von Stella Models, die Kritik an der jungen Israelin nicht nachvollziehen kann. "Diese Aufregung ist erzwungen", sagt Manganelli. "Viele Mädchen bewerben sich mit 14 Jahren." Dazu kommt, dass Haute-Couture-Schauen nur in einer bestimmten Woche im Jahr stattfinden. "Das lässt sich gut planen und mit der Schule vereinbaren." Bei Agenturen in Frankreich oder England sei die Arbeit von Minderjährigen streng geregelt. "Ohne die Zustimmung der Eltern geht gar nichts. Es passiert alles im Sinne der Jugendlichen", so Manganelli. "Bestimmt hat auch Sofia Mechetner viele Verträge unterschrieben und mit Anwälten gesprochen. Meistens ist es auch so, dass ein Elternteil mit zur Show kommt. Die Eltern bleiben die letzte Instanz."

Immer wieder werden große Modemarken wie Prada oder Marc Jacobs wegen der Sexualisierung von Jugendlichen kritisiert. Erst im Mai verbat die Werbeaufsichtsbehörde eine Kampagne der Prada-Tochter Miu Miu. Die Fotos zeigten eine Minderjährige im Lolita-Stil. Den Laufsteg-Look von Mechetner findet Manganelli aber nicht anstößig: "Wenig Make-up, natürliche Haare – das ist fern von jeder Sexualität." Den Designern sei es egal, wie jung ihr Model sei – "Hauptsache, ihr Look passt und sie kommt pünktlich und freundlich zur Arbeit".

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