Harry und Meghan kurz davor, die ganze Wahrheit zu sagen
Es war eines der meistbeachteten Interviews dieses Jahren: Als der britische Prinz Harry und seine Frau Herzogin Meghan im März US-Starmoderatorin Oprah Winfrey ihr Herz ausschütteten, war die Aufregung weltweit groß. In dem TV-Gespräch hatte Harry unter anderem erzählt, dass sein Vater Charles ihm den Geldhahn zugedreht und zeitweise seine Anrufe nicht mehr entgegengenommen hatte. Zudem berichtete er über sein gespanntes Verhältnis zu seinem Bruder. Meghan sagte, während ihrer ersten Schwangerschaft habe es im Königshaus mit Blick auf ihr ungeborenes Kind "Sorgen und Gespräche" darüber gegeben, "wie dunkel seine Haut sein mag, wenn er geboren ist".
Die Reaktionen auf das Interview hätten unterschiedlicher nicht sein können: Sängerin Beyoncé bedankte sich bei Meghan für deren Mut. "Wir alle sind gestärkt und inspiriert von Dir", schrieb sie auf ihrer Webseite.
Palast-Strategie: Abwarten und Tee trinken
Auch die frühere First Lady Michelle Obama stärkte Markle den Rücken. In Großbritannien waren solche Stimmen kaum zu hören, aus dem Palast kamen höchstens Verteidigungsbotschaften - auf eine öffentliche Diskussion über Rassismus und Diskriminierung wartete man vergeblich. Wer die rassistischen Aussagen getätigt haben soll, ist bis heute unklar. Harry und Meghan sollen vor dem Interview aber überlegt haben, den Namen zu nennen, behaupten Omid Scobie und Carolyn Durand, die Autoren der nicht autorisierten Biografie "Finding Freedom" in ihrer aktualisieren Neufassung. Schlussendlich entschieden sie sich dagegen, um der betreffenden Person nicht zu schaden. Lediglich die Queen und ihren mittlerweile verstorbenen Ehemann Prinz Philip nahmen sie in Schutz.
Die Schweige-Strategie des Palastes empfinden Scobie und Durand laut Page Six als fragwürdig. "Sie scheinen das Gefühl zu haben, dass sich das Problem in Luft auflöst, wenn es ignoriert wird, aber inzwischen hätten wissen müssen, dass das so nicht funktioniert, zitiert das Magazin die Autoren. Meghan soll das Interview jedenfalls als "kathartisch" und "befreiend" empfunden haben. Die Queen habe es übrigens nicht gesehen, heißt es in "Finding Freedom".
Der Unterschied in der Wahrnehmung der Erlebnisse von Meghan und Harry auf beiden Seiten des Atlantiks dürfte vielfältige Gründe haben. Auffallend ist dabei vor allem, dass die Zeiten des royalen Aufruhrs in die Zeit der größten Rassismus-Debatte in den USA seit Jahrzehnten fielen. Der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd im Mai 2020 führte zu einer Sensibilisierung bezüglich alltäglicher und struktureller Diskriminierung. So auch bei der Behandlung der US-Amerikanerin Meghan in Teilen der britischen Presse, deren Berichte vielfach als rassistisch wahrgenommen wurden. Meghans Mutter ist Schwarz.
Zudem sind Vorbehalte gegen das britische Königshaus als ewig gestrige Institution in den Vereinigten Staaten, die ihren Unabhängigkeitskrieg gegen das Vereinigte Königreich führten, weit verbreitet. Das ist für viele ein weiterer Grund, sich auf die Seite derer zu schlagen, die Windsor den Rücken zudrehen und Amerika als modernere Heimat bevorzugen. In Kalifornien kommen Meghan und Harry gut an, sie wirken locker und zugleich bescheiden.
Die Namenswahl ihrer im Juni geborenen Tochter Lili war schließlich von manchen als Friedensangebot Richtung London gedeutet worden. Allerdings gab es Unstimmigkeiten darüber, ob die Queen, die ebenfalls von Vertrauten "Lilibet" genannt wird, rechtzeitig gefragt wurde.
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