Ben Becker: "Bin dabei, leben zu lernen"

Ben Becker: "Bin dabei, leben zu lernen"
Enfant terrible Ben Becker über Melancholie, Extreme – und Rasenmähen.

So handzahm hat man ihn selten erlebt. "Ah, Wien am Apparat, wie herrlich", flötet Ben Becker (49) fröhlich ins Telefon. "Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mit mir dieses Interview machen." Man hat das deutsche Enfant terrible auch schon anders erlebt, aber schließlich gilt es, sein nächstes Projekt zu bewerben ...Genie und Wahnsinn liegen oft nah beisammen, wie der einstige Jedermann-Tod schließlich im KURIER-Gespräch anlässlich seiner Lesung "Zweistimmig – Hommage an Paul Celan" (am 30. Oktober im Wiener Konzerthaus) bestätigt. Begleitet von Klarinettist Giora Feidman (78) wird Becker Texte des jüdischen, Zeit seines Lebens vom Tod seiner Eltern im Holocaust traumatisierten, Lyrikers Celan († 1970) lesen.

KURIER: Celans Texte sind, wie Sie sagen, eine Herausforderung für das Publikum. Wieso wagen Sie sich dennoch daran?

Ben Becker: Ich mag schwierige Themen und fand den von Trauer und Schmerz zerfressenen Menschen Paul Celan interessant. Es gefällt mir, wenn sich jemand schmerzhaft mit dem Sein auseinandersetzt. Auch wenn es schwer ist – Celan sagte ja selbst, dass er nicht zu verstehen sei. Ich versuche, ihn wenigstens emotional verständlich zu machen.

Fühlen Sie sich in diesem "Nicht verstanden werden" auf eine Art mit Celan verbunden?

Das ist eine sehr private Frage, aber: Ja! Hätte ich mich ihm und seinem Schicksal nicht so nahe gefühlt, hätte er mich wohl nicht so in den Bann gezogen.

Ben Becker: "Bin dabei, leben zu lernen"
epa03831462 Actor Ben Becker and clarinettist Giora Feidman (L) pose for the media during the presentation of their first joint project 'For two voices - an homage to Paul Celan' at Synagogue Rykerstrasse as part of the ativities of Jewish Culture Days in Berlin, Germany, 20 August 2013. EPA/BERND VON JUTRCZENKA
Wieso ist die Klarinette als Begleitung besonders passend?

Weil sie ein trauriges, melancholisches Instrument ist, das zeitgleich sehr lebensbejahend sein kann. Das trifft Celan gut, denn neben all dem Schmerz war er einer, der das Leben auch liebte ...

... aber letztlich Suizid beging.

Sein Weltschmerz, seine Traurigkeit und die Schuldgefühle, weil er – im Gegensatz zu seinen Eltern überlebt hatte – waren größer.

Was stimmt Sie traurig?

Ach, es gibt so vieles. Da bin ich Celan in gewisser Weise ähnlich – ich bin auch sehr oft von tiefer Melancholie geschlagen und auf der anderen Seite ein Sonnenkind.

Celan schreibt "Lerne leben!" – haben Sie denn leben gelernt?

Es wäre übereilt, dem zuzustimmen. Ich bin noch dabei! Wer kann denn schon von sich behaupten, dass er das Leben gelernt hat? Vielleicht irgendein reicher Vollidiot, der nichts Besseres zu tun hat, als mit seiner Yacht herumzusegeln. Aber das würde mich langweilen. Das ist nicht Leben. Leben ist Auseinandersetzung mit dem, was uns umgibt. Die Freude, Menschen um sich zu haben, die man liebt. Literatur, Kunst ...

Man kennt Sie als Exzentriker. Beschäftigt sich ein Ben Becker auch mit völlig Banalem wie zum Beispiel Rasenmähen?

Na klar, ich gehe Milch holen wie jeder andere Depp auch. Und, auch wenn es viele wohl nicht glauben: Rasenmähen bereitet mir sogar große Freude.

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