Suff und Sucht mit Ben Becker

Suff und Sucht mit Ben Becker
Schauspielerclan im Selbstzerstörungsmodus: "Eines langen Tages Reise in die Nacht" als Gastspiel im Landestheater NÖ

Das Landestheater Niederösterrich hat es einmal mehr geschafft, ein hochkarätiges Gastspiel nach St. Pölten einzuladen. Allein die Darstellerliste liest sich wie ein Who-is-Who der derzeitig angesagtesten Mimen: "Jedermanns Tod" Ben Becker, David Bennent, Michael Abendroth, der seit Herbst auch an der Josefstadt spielt. Gegeben wurde Eugene O'Neills wohl autobiografischstes Stück "Eines langen Tages Reise in die Nacht". Darin arbeitet der Autor seine quälende Familiengeschiche auf. Ein Schauspielerclan im Selbstzerstörungsmodus: Vater James Tyrone, sozusagen ein One-Hit-Wonder, tingelt seit 40 Jahren mit "Der Graf von Monte Christo" von Bundesstaat zu Bundesstaat. Die Mutter hat sich ob dieser Strapaze dem Morphium verschrieben. Sohn Jamie ist Alkoholiker; der jüngere, tuberkulöse Emund sieht dem Tod ins Auge.

Ein harter Stoff über Suff und Sucht. Heute vielleicht Thema von Dokusoaps, Nachmittagstalks oder Society-Klatsch. Ulrich Waller inszeniert diese vom Hamburger St. Pauli Theater entliehene Arbeit ohne mit der Wimper zu zucken. Er lässt seinen Stars Raum für ganz großes Schauspielertheater, für ausgefeilte Charakterstudien.
Ein wenig wirkt der in den 40er-Jahren angesiedelte Abend aus der Zeit gefallen.
Aber wie Ben Becker als Jamie im Alkoholdunst als einziger die Klarsicht behält, ist allein schon sehenswert. Ein großer Klotz mit sensiblem Herz, dessen Reibeisenstimme wütet und weint. Bennent gibt einen brüchigen, das Selbst- und das Mitleid der anderen für eigene Zwecke nutzenden Edmund. Das Zusammenkrachen der Söhne mit dem gütigen Geizhals Tyrone alias Michael Abenroth sorgt für die Gänsehautmomenten der Aufführung.

KURIER-Wertung: **** von *****

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