Aufschrei ohne Einsicht: Gottschalk verloren im Shitstorm
Für Empörung sorgte die vergangene Woche zum zweiten Mal ausgestrahlte WDR-Sendung "Die letzte Instanz". Konsequent verteidigten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Talkrunde darin rassistische Formulierungen und stritten die Existenz von Alltagsrassismus ab.
Scharfe Kritik gab es vor allem an Thomas Gottschalk, der angab, bei einer Kostümparty in Los Angeles mit Jimi-Hendrix-Verkleidung das erste Mal erfahren zu haben, "wie sich ein Schwarzer fühlt". Auch der ehemalige "Big Brother"-Teilnehmer Jürgen Milski diskutierte die Frage: "Das Ende der Zigeunersauce: Ist das ein notwendiger Schritt?" mit. Am Ende waren sich die Gäste einig und befanden die Forderung nachdem Ende von Rassismus-reproduzierender Sprache als nicht relevant.
Einsicht nach Aufschrei - zumindest teilweise
Nach umfassender Kritik und einem Aufschrei im Netz haben sich die deutsche Schauspielerin Janine Kunze und der Moderator Micky Beisenherz, die ebenfalls an der Sendung teilgenommen hatten für ihre Aussagen entschuldigt.
"Mir ist klar geworden, dass ich Menschen, insbesondere die der Sinti und Roma Community, mit meinen unbedachten Äußerungen zutiefst verletzt, als auch diskriminiert habe", schrieb Kunze am Sonntag auf Instagram.
Beisenherz sagte am Montag in seinem Podcast "Apokalypse und Filterkaffee": "Wenn ich Leute enttäuscht habe, dann tut mir das aufrichtig leid, denn das möchte ich nicht", so der 43-Jährige. "Wenn da vier Kartoffeln sitzen und über Rassismus mit Karten abstimmen, dann ist im Kern ja schon mal etwas falsch, das kannst du so einfach nicht machen", sagte er in seinem Podcast. Als Gesellschaft sei man deutlich weiter, "als im Jahr 2021 noch ernsthaft über dieses verdammte Schnitzel zu diskutieren und zu sagen, ich möchte unbedingt das Z-Wort benutzen, wenn ich bestelle."
Auf Twitter hatten sich zuvor viele Zuschauer und Zuschauerinnen darüber empört, dass die Gäste "empathielos", "unkritisch" und "naiv" mit dem Thema Alltagsrassismus umgegangen seien und sie von oben herab Menschen, die tagtäglich Rassismus und Diskrimierung ausgesetzt sind, ihren Alltag absprechen.
Kunze schrieb in ihrem Statement am Sonntag, als Mutter von drei Kindern sollte sie aufgeklärter sein. Sie werde künftig ihre Wortwahl überdenken. "Mein Wunsch ist es, dass wir voneinander lernen". Ihr Statement versah sie mit dem skizzenhaften Bild eines Herzens. Beisenherz sagte in seinem Podcast weiter, er hätte in der Sendung bei vielen problematischen Aussagen vehementer reagieren müssen. "Das habe ich verstanden und das nehme ich mit fürs nächste Mal."
Am Sonntag hatte auch der Sender Fehler eingeräumt: Die Sendung sei nicht so gelaufen, "wie wir es geplant und uns vorgestellt hatten". In der "letzten Instanz" sollten kontroverse Themen auf unterhaltsame Weise diskutiert werden, und dabei dürfe natürlich jeder Gast seine Meinung äußern. "Aber rückblickend ist uns klar: Bei so einem sensiblen Thema hätten unbedingt auch Menschen mitdiskutieren sollen, die andere Perspektiven mitbringen und/oder direkt betroffen sind", hieß es in der Stellungnahme. "Daraus haben wir in jedem Fall gelernt", sagte eine WDR-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Auch auf Instragram bezog man Stellung.
Von dem bekanntesten aller Teilnehmer wartet man bis dato allerdings vergeblich auf eine Stellungnahme: Thomas Gottschalk. Warum sich der 70-Jährige nicht zu Wort meldet, bleibt unklar, aber es irritiert.
In der vergangene Woche ausgestrahlten Sendung "Wer stiehlt mir die Show" folgte zudem der nächste unangenehme Sager des Entertainers. Nachdem Schauspieler Elyas M'Barek während der Sendung seine Mutter angerufen hat, meinte Gottschalk zu Moderator Joko Winterscheidt: "Hätten wir deine Mutter angerufen, hätte sie nicht abgenommen." Immer wieder stichelten beide scherzhaft. "Von allen Witzen, die du je gemacht hast, war das wirklich der böseste", entgegnete ihm Winterscheidt. Gottschalk hatte offenbar nicht bedacht, dass Winterscheidts Mutter starb, als er sechs Jahre alt war. Dass ein Witz auf Kosten anderer mal nach hinten losgehen kann, ist nicht Ungewöhnliches. Doch Gottschalk scheint auch den neuerlichen Aufschrei im Netz aussitzen zu wollen.
Auch von jemandem, der nicht mit den Sozialen Medien aufgewachsen ist, könnte man nun ein Statement erwarten. Ein unbedachter Witz mag die eine Sache sein, der zynischer Umgang mit Rassmus eine andere. Gerade weil Gottschalk Gehör geschenkt wird, sollte er die aktuell wohl noch gesteigerte Aufmerksamkeit für Aufklärung nutzen. Vorallem weil die in der WDR-Sendung gefallenen Thesen sich selbst deutlich wiederlegen - wir brauchen die gesellschaftliche Debatte um das Thema Alltagsrassismus mehr denn je.
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