„Ich wollte einfach Zeit mit meinem Vater verbringen“, erinnert sich Werner Schlager an die Anfänge. Umso besser die Schläge des Sohnes aber wurden, desto schwieriger wurde auch das Verhältnis zum Vater, der förderte und forderte.
Die Schule gehasst
Überhaupt hatte Schlager in frühen Jahren ein schwieriges Verhältnis zu seinem Sport. „Mir wurde der Sport lange vermiest. Ich habe in der Schule nie Anerkennung bekommen für das, was ich liebe“, erzählt Schlager. „Es hieß immer: ‚Was willst du mit deinem Pingpong‘?“ Wenig verwunderlich, dass der Niederösterreicher die Schule „hasste“, früh hinschmiss und bis heute in vielen Bereichen Autodidakt geblieben ist.
Das Unkonventionelle zeichnete stets auch sein Spiel aus. Ohne die vielen Varianten mit dem Aufschlag, ohne die taktischen Feinheiten wäre die chinesische Wucht nicht aufzuhalten gewesen in den Jahren um die Jahrtausendwende.
1999 näherte sich Schlager mit WM-Bronze der Spitze an, vier Jahre später gelang ihm in Paris der goldene Coup. Dass China den Erfolg als Mahnung verstand und seither alle Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen ins Reich der Mitte holte, verstärkt den Mythos um Schlagers Person. Auch heute noch hat er einen gut dotierten Vertrag mit einem chinesischen Unternehmen.
Bis zum Ausbruch der Pandemie reiste der einst in China zum populärsten ausländischen Sportler gewählte Tischtennis-Weltmeister quer durch das Riesenreich, spielte Schauwettkämpfe und unterhielt Kunden. Etwa jenen Chinesen, der in Luoyangzhen die Hallstatt-Kopie errichten ließ. Der Geschäftsmann und Tischtennis-Fan ließ für einen Schlagabtausch mit Schlager extra die Kirche im fernöstlichen Hallstatt räumen, um Platz für einen Tischtennis-Tisch zu schaffen.
Es gibt Dutzende dieser Anekdoten, und dennoch wirkt der zweifache Familienvater froh, sagen zu können: „Der Sport bestimmt nicht mehr mein Leben.“ Er macht sich rar – nicht nur im Verband, sondern im rot-weiß-roten Sport allgemein. „Ich brauch’ nicht bei jedem Turnier der Ehrengast sein. Und mein Ego muss auch nicht gestreichelt werden“, sagt er.
Unvermeidlich ist das im kommenden Mai, wenn sich sein WM-Triumph zum zwanzigsten Mal jährt. Er fürchtet sich schon ein wenig vor dem Datum, wenngleich die Erinnerungen an den 25. Mai 2003 „unauslöschbar und wunderschön“ sind.
Ab und an kommt es vor, dass sich Schlager Ausschnitte des Finales noch einmal ansieht, und zuerst die Fehler erkennt, „wo ich attackieren hätte sollen, wo eine andere Taktik wählen“. Die Zeitreise lässt ihn auch die Vergänglichkeit der eigenen Fähigkeiten erkennen. „Es ist nicht einfach für einen Leistungssportler zu akzeptieren, dass man im Alter abbaut“, sagt er. Maximal einmal im Monat steht er noch an der Platte.
Millionengrab
Er hat abgeschlossen, auch mit der Idee eines eigenen Leistungszentrums. Die Malversationen rund um die mit viel Pomp und noch mehr Millionen eröffnete „Werner Schlager Academy“ in Schwechat endeten erst diesen Frühling im Gerichtssaal mit Freisprüchen. Schlager hat im Zuge dessen nicht nur einen hohen sechsstelligen Euro-Betrag verloren, sondern auch Freundschaften.
Dennoch sagt er zum Schluss mit Blick Richtung Elternhaus: „Wenn ich morgen tot umfallen sollte, hab’ ich trotzdem ein schönes Leben gehabt.“
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