Wie die Überfliegerin Sara Marita Kramer in ein tiefes Loch fiel

Wie die Überfliegerin Sara Marita Kramer in ein tiefes Loch fiel
Die 22-jährige Skispringerin war die Beste der Welt. Nach ihrem Gesamtweltcupsieg erfolgte der Absturz. Seither kämpft sie mit sich und dem Sport.

Als Sara Marita Kramer in der Saison 2021/’22 im Alter von 20 Jahren in eindrucksvoller Manier den Gesamtweltcup gewann, überschlugen sich die Experten vor Lob und strapazierten die Superlative: Die Österreicherin würde das Frauen-Skispringen für Jahre dominieren, wurde prophezeit. Kramer würde den Sport auf ein neues Level heben.

Die große Bewunderung von einst ist längst einem großen Wundern gewichen. Der Königin der Lüfte, der ein Leben auf Wolke sieben vorausgesagt worden war, ist in den letzten zwei Jahren aus allen Wolken gefallen. Der letzte Weltcupsieg der Pinzgauerin ist 24 Monate her, im Dezember 2022 war sie zuletzt auf dem Podium.

Sara Marita Kramer ist wieder einmal ein Beleg dafür, wie kompliziert und schwierig das Skispringen sein kann, wenn die Disziplin – wie im Fall der gebürtigen Niederländerin – zum Denksport wird.

„Ich habe gerade in der letzten Saison sehr viel nachgedacht und überlegt. Das hat mich gefressen. Wenn du einmal in diesem Radl gefangen bist, dann kommst du schwer wieder raus.“

Schwere Last

Der Triumph im Gesamtweltcup verlieh der Österreicherin seinerzeit keine Flügel. Vielmehr fühlte sich Kramer danach unter Zugzwang und in der Bringschuld. „Ich wollte allen beweisen, dass ich wieder den Gesamtweltcup hole“, erinnert sich die Siegerin von 15 Weltcupspringen.

Druck ist bekanntlich ein schlechter Flugbegleiter, der übertriebene Ehrgeiz lastete schwer auf ihren Schultern und drückte die Österreicherin bei ihren Sprüngen immer früher zu Boden. Kramer wurde zusehends ein Opfer ihrer hohen Ansprüche, wie sie selbst zugibt.

Fehlende Freude

„Es ist extrem schwierig, wenn man weiß, wie sich das Skispringen anfühlen kann, wenn es funktioniert“, sagt die 22-Jährige. „Ich bin mir oft im Weg gestanden, weil ich auch nach guten Sprüngen nach diesem Gefühl gesucht habe und mit mir unzufrieden war.“

Der Frust und die Verunsicherung waren Sara Marita Kramer auch deutlich anzusehen. Selten einmal saß die Österreicherin mit einem Lächeln und mit Vorfreude auf dem Zitterbalken. „Ich habe mich so nicht gekannt. Ich bin auf die Schanze gekommen und habe mich nicht wohl gefühlt. Der Spaß und die Lockerheit waren nicht mehr da.“ Kramer hat daraus ihre Lehren gezogen. Sie hat ihre Ziele zurückgeschraubt und definiert sich nicht mehr nur über Platzierungen. „In dieser Saison ist es darum gegangen, alles etwas entspannter zu sehen und wieder Spaß zu haben. Und nicht darum, wieder zu gewinnen.“

Mit diesem Zugang springt es sich für Sara Marita Kramer etwas leichter. Die frühere Dominatorin ist zwar aktuell nicht in der Lage, um die Topplätze mitzuspringen, aber Kramer wirkt trotzdem deutlich gelassener und ausgeglichener als noch im vergangenen Winter.

Beim österreichischen Doppelsieg in Hinzenbach landete Kramer gestern an 16. Stelle. Die 22-Jährige weiß, wo sie hin will. „Ich möchte wieder ein bisschen mehr die alte Sara werden.“

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