Vor 20 Jahren: Mit der Zivilpolizei zum NHL-Debüt
Was ist leicht?“, fragt Reinhard Divis, als er mit dem Interview-Wunsch konfrontiert wird. Dass sich am 7. April ein Meilenstein im österreichischen Eishockey zum 20. Mal jährt, hatte der 46-jährige Wiener nicht im Kopf.
An jenem Tag im Jahr 2002 debütierte Reinhard Divis in der National Hockey League für die St. Louis Blues, er war damit der erste von bis heute acht Österreichern, die in der besten Liga der Welt spielen durften.
Beim Gespräch im Wiener Eislaufverein, wo er einst als Kind mit dem WAT Stadlau gegen den WEV sein erstes Meisterschaftsspiel absolviert hatte, kann sich Divis noch an viele Details seines Debüts erinnern. Es hört sich an wie in einem Film.
8 Österreicher kamen auf NHL-Einsätze:
Christoph Brandner
Debüt 2003 für Minnesota, 35 Spiele
Thomas Pöck
Debüt 2004 für die Rangers, 122 Spiele.
Thomas Vanek
Debüt 2005 für Buffalo, 1.098 Spiele, 394 Tore
Andreas Nödl
Debüt 2008 für Philadelphia, 195 Spiele
Michael Grabner
Debüt 2009 für Vancouver, 680 Spiele
Michael Raffl
Debüt 2013 für Philadelphia, 606 Spiele, aktuell Dallas
Marco Rossi
Debüt 2022 für Minnesota, 2 Spiele
Von seiner Beförderung erfuhr er erst am Spieltag. „Wir hatten im Farmteam Worcester am Sonntag um 13 Uhr ein Spiel. Ich war also um 10.30 Uhr beim Essen, als ich einen Anruf bekam. Ich sollte zur Eishalle kommen, die Limousine wartet auf mich.“
Der damals 26-Jährige lässt dass Essen stehen und fliegt nach St. Louis. „Das Spiel war gegen 19 Uhr. Die Tür vom Flieger geht auf, ein Polizist kommt herein und ruft meinen Namen. Noch auf dem Flugfeld haben wir das Gepäck herausgeholt, sind mit Zivilstreife und Blaulicht Richtung Arena gefahren. Wir haben alle Verkehrsregeln gebrochen, damit ich rechtzeitig ankomme.“
Und dennoch ging etwas schief. „Ich ziehe mich um, gehe zu meinem Platz und meine Schoner fehlen. Der Zeugwart in Worcester hat sie vergessen einzupacken.“ Eine Katastrophe für einen Tormann. Schließlich ging es an diesem Abend gegen Champion Colorado mit Superstars wie Sakic und Forsberg.
Kein Verstecken
„Nach einer halben Stunde steht es 1:3 und wir bekommen ein Tor von außerhalb des Drittels. Da habe ich mir nur gedacht: Bitte nicht! Du willst ja als Tormann immer spielen. Aber in dieser Situation mit falschen Schonern ...“, erinnert sich Divis.
Doch der Ruf von Trainer Joel Quenneville ereilte den Backup-Keeper: „Ich hab’ noch in die andere Richtung geschaut. Und dann höre ich schon die tiefe Stimme vom Coach: „Divo!“ Ich hab’ es erst noch ignoriert, aber dann hat mir auch der Zeugwart auf die Schulter geklopft und gesagt: „Let’s go!“
St. Louis war die klar bessere Mannschaft, Divis blieb ohne Gegentor, sein Team verlor aber durch ein Empty-Net-Tor am Ende mit 2:4. „Ich habe in einer halben Stunde nur vier Schüsse aufs Tor bekommen. Wir hatten ja auch eine Super-Mannschaft mit Hall-of-Fame-Spielern.“
Am nächsten Tag schlapft der Debütant in die Sauna und dreht um, als er sieht, dass der Coach drinnen sitzt. „Da hat er mich schon gesehen und mich reingeholt. Er hat mich gefragt, warum ich wegen den Schonern nichts gesagt habe. Dann hat er nur gesagt: ’Good job, kid’.“
In vier Saisonen sind es 29 Einsätze in der NHL geworden, 129-mal trug Divis das Trikot des Farmteams.
Das Ende
Divis, so sagt er, habe sich realistisch einschätzen können. „Für dauerhaft NHL hat es nicht gereicht. Ich wurde am Ende von Vancouver angefragt. Aber ich wollte nicht mehr. Mein Sohn hat bis zur vierten Klasse Volksschule neunmal die Schule gewechselt. Irgendwann musst du auf die Familie schauen. Ich bin nach Salzburg gegangen.“
Die Selbsteinschätzung war Divis immer wichtig. „Wir Österreicher sind Spezialisten darin, einen jungen Buben hoch zu loben, obwohl er noch nichts geleistet hat. Und dann zerreißen wir ihn genauso schnell wieder.“
Seine Karriere habe er immer schrittweise geplant. „Ich bin als Champions-League-Sieger mit Feldkirch nach Schweden gegangen. Im österreichischen Eishockey kreieren wir eine Liga für Ausländer. Wenn du aber woanders hinkommst, dann musst du dich erst durchsetzen. So war das in Schweden und dann in Amerika. Ich komme von der besten Liga Europas und beginne im Farmteam von St. Louis als zweiter Tormann.“
Dem Klub-Eishockey hat Divis den Rücken gekehrt. „Ich wollte mich nicht mehr in eine Abhängigkeit begeben, in der ich nicht sagen darf, was ich mir denke.“ Beim Nationalteam arbeitet er als Coach der Goalies, bei Puls24 ist er Experte bei NHL-Übertragungen. „Das taugt mir. So kann ich immer noch ein wenig dabei sein.“
Hauptberuflich ist Divis Immobilien-Makler in seiner Wahlheimat Vorarlberg. „Das hat mir immer schon getaugt. Wenn ich aber gewusst hätte, wie schwer die Treuhänderausbildung ist, hätte ich es eh nicht gemacht“, sagt er schmunzelnd.
Im Eislaufverein sind die letzten Reste vom Eis fast schon weggetaut. Aber die Erinnerungen bleiben.
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