Wie buchstabiert man jetzt doch schnell noch einmal Konstanz? Am besten so:
K R A F T
Wenn Stefan Kraft heute mit 27 Jahren auf seine bisherige Karriere als Skispringer zurückblickt, dann tut er sich schwer, irgendwelche Formtiefs, Luftlöcher oder Abstürze zu finden. Sicher, ihm fehlt noch eine Olympiamedaille, und dann ist da natürlich auch noch diese leidige Sache mit der Schanze in Garmisch, die ihn in den letzten drei Jahren regelmäßig abgeworfen hat (31., 49., 13.) – aber das war’s dann im Grunde auch schon mit den Makeln.
„Es macht mich unheimlich stolz, dass das schon über Jahre so funktioniert“, sagte Stefan Kraft vor dem Auftakt in die neue Saison, die heute in Wisla (Polen) mit einem Teambewerb eröffnet wird. „Ich habe einen guten Grundstock und einen soliden Basissprung.“
Puzzlespiel
Das ist natürlich eine maßlose Untertreibung. Gut und solide trifft es bei Weitem nicht, die Leistungen von Stefan Kraft schreien vielmehr nach Superlativen. Kein anderer Springer hat in den letzten fünf Weltcupwintern mehr Punkte gesammelt als der Österreicher; kein anderer war im Gesamtweltcup regelmäßig so weit vorne zu finden; kein anderer zeigte in dieser Zeit so wenige Schwächen wie die springende Konstanz in Person aus dem Pongau.
Und das mag schon etwas heißen in einem Sport, der so den Launen der Natur ausgeliefert ist wie das Skispringen und in dem sich die Sportler Jahr für Jahr mit neuen Materialreglements konfrontiert sehen. „Ich bin noch nie zwei Saisonen hintereinander mit dem gleichen Material gesprungen“, erklärt der zweifache Gesamtweltcupsieger. „Man muss über den Sommer immer wieder seine Puzzleteile neu zusammenlegen.“
Alleskönner
Das erklärt auch, weshalb kaum einmal ein Skispringer permanent auf Wolke sieben schwebt, warum gar so viele Sieger nach ihren Höhenflügen hart auf dem Boden der Realität landeten. Rekordmann Gregor Schlierenzauer, der sein letztes Springen vor sechs Jahren gewonnen hat, steht exemplarisch für das Auf und Ab im Skispringen.
Nur Stefan Kraft scheint durch nichts aus der Flugbahn zu werfen zu sein. „Weil er auch der kompletteste Springer der letzten Jahre ist“, sagt ÖSV-Direktor Mario Stecher. Ihm ist es egal, welche Größe und welches Profil eine Schanze hat, er schert sich nicht darum, ob ihm während des Sprungs der Wind ins Gesicht bläst oder eine steife Brise von hinten kommt. „Ich weiß, dass ich sehr stabil bin“, sagt Stefan Kraft.
Erfolgshunger
Die Konkurrenz darf sich auch keine Hoffnungen machen, dass das Salzburger Energiebündel einmal freiwillig einen Gang zurückschalten würde. Trotz der vielen Titel und Triumphe ist der Erfolgshunger des 27-Jährigen ungestillt. „Keine Angst, ich falle in kein Motivationsloch. Mir gehen die Ziele nicht so schnell aus“, versicherte er erst diese Woche wieder.
Wer soll Stefan Kraft also stoppen? Was kann seinen Höhenflug bremsen?
Am ehesten könnte das noch der Bandscheibe gelingen. Diesen Sommer hat der beste Skispringer der Gegenwart erstmals am eigenen Leib die Schattenseiten seiner Erfolge kennengelernt. Sein Rücken ist beleidigt von den vielen weiten Sprüngen und den Landemanövern im Extrembereich der Schanzen, wo auf den Körper die größten Kräfte einwirken. „Schaut aus, als hätte ich die ersten Verschleißerscheinungen.“
Kommentare