Hannes Reichelt wird an diesem Sonntag 40. Damit ist der Radstädter mit Abstand der dienstälteste Rennläufer im österreichischen Ski-Team. Am 7. Dezember 2001 gab Reichelt sein Debüt im Weltcup, fast zwei Jahrzehnte später hat er noch immer nicht genug. Selbst ein Kreuzbandriss konnte den Routinier nicht bremsen.
Nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Sturz in Bormio stand der Super-G-Weltmeister von 2015 schon wieder auf den Brettl'n. Sein Ziel ist die WM 2021 in Cortina d' Ampezzo, seine Mission: der älteste Weltcupsieger der Ski-Geschichte zu werden.
Hannes Reichelt über ...
Seine Rückkehr auf die Skipiste
„Es hat sich gut angefühlt, ohne Schmerzen oder irgendeine Form von Unsicherheit. Wobei ich schon gesehen habe, dass der Weg zurück sicher ein langer und ein steiniger wird. Wenn man meine Kollegen beim Training beobachtet, dann merkt man, dass bei mir schon noch einiges fehlt. Im Moment ist das mehr Therapie-Skifahren als Training, das Knie muss sich erst wieder an diese Belastungen gewöhnen.
Seinen Fahrplan
„Vom richtigen Rennfahren bin ich noch weit entfernt. Ich muss mich da näher und näher herantasten. Bei 80, 85 Prozent ist man schnell einmal wieder, aber die letzten 15 Prozent, da wird’s dann richtig interessant. Man muss schauen, wie sich das Knie entwickelt und wie das mit dem Selbstvertrauen ist. Einen mittelsteilen Hang bei guten Bedingungen mit Riesentorlaufschwüngen runter fahren ist etwas anderes, als eine Abfahrt bei schwierigen Verhältnissen.“
Angst vor einer neuerlichen Kreuzbandverletzung, wie sie etwa Stephanie Brunner oder Cornelia Hütter nach ihren Comebacks erlitten hatten.
"Wir reden vom Skifahren. Das ist mein Metier, da bin ich daheim. Ich kann das Risiko gut einschätzen und weiß auch, was ich dem Körper zumuten kann. Wenn ich auf einen Berg gehe und es ist dort rutschig, dann kann das gefährlicher sein als Skifahren. Ich habe die Ärzte überzeugen müssen, damit sie mich wieder Skifahren lassen. Aber wenn man so viele Jahre auf dem Buckel hat wie ich, dann kann man es bis zu einem gewissen Grad gut einschätzen. Man muss auch sagen: Auf die Jahre gerechnet, die ich diesen Sport jetzt betreibe, bin ich, was Verletzungen betrifft, gut durchgekommen."
SKI ALPIN
Elisabeth Görgl (Österreich) 33 Jahre und 304 Tage
Didier Cuche (Schweiz) 37 Jahre und 192 Tage
SKISPRINGEN
Daniela Iraschko-Stolz 35 Jahre und 109 Tage
Noriaki Kasai (Japan) 42 Jahre und 176 Tage
LANGLAUF
Hilde G.Pedersen (Norwegen) 41
Harri Kirvesniemi (Finnland) 41
Rücktrittsgedanken
„Das geht einem immer wieder einmal durch den Kopf. Natürlich wäre der Rücktritt die einfachere Lösung gewesen. Aber das war mir dann irgendwie doch zu einfach. Außerdem will ich nicht wegen einer Verletzung die Karriere beenden, sondern das selbst entscheiden. Deshalb unternehme ich alles, um wieder zurückzukommen. Grundbedingung dafür ist, dass ich wieder konkurrenzfähig bin. Wobei ich da den großen Vorteil habe, in einer sehr starken Mannschaft zu sein. Wenn ich da an die Zeiten der Kollegen herankomme, weiß ich, dass ich auch international konkurrenzfähig bin. Und wenn das nicht der Fall sein sollte, muss man sich eh die Frage stellen, ob es weiter einen Sinn macht."
Die Verletzungspause
"Die Zeit, in der ich jetzt einmal nicht in diesem Radl drinnen war, eröffnet einem schon den Blick für andere Sachen. Du glaubst ja immer, das Skifahren wäre das Wichtigste. Durch die Verletzung habe ich zu Niklas (Anm. Der Sohn von Hannes Reichelt ist knapp 15 Monate alt) einen viel intensiveren Bezug aufgebaut. Mein Frau Larissa hat sich kurz nach meinem Sturz die Schulter gebrochen, deshalb habe ich immer in der Nacht auf ihn geschaut. Das war das Schöne an der Verletzungspause. Ich habe eine ganz andere Beziehung zu ihm aufbauen können. Meine größte Sorge ist, dass das verloren geht, wenn ich wieder mehr von daheim weg bin."
Seinen Antrieb mit 40
"Ich bin einfach noch immer so gerne mit meinen Kollegen unterwegs. Mir gefällt es in den Weltcup-Orten, die wir jedes Jahr bereisen, manche wie Beaver Creek habe ich richtig ins Herz geschlossen. Mich haben die Nachrichten bestärkt, die ich nach der Verletzung bekommen habe. Leute haben mich auf der Straße angesprochen und gesagt: ,Hannes, bitte fahr weiter! Du bist der einzige von der alten Garde, den wir noch kennen.’ Das hat mir viel Motivation gegeben. Durch die Verletzung habe ich einen anderen Input gekriegt, ich musste Trainingsübungen machen, die ich teilweise gar nicht gekannt habe. Das hat das Training interessant gemacht. Es klingt komisch, aber ich glaube wirklich, dass man auch aus so einer Verletzung stärker rausgehen kann."
Die Unterschiede zum 20-jährigen und 30-jährigen Hannes Reichelt
"Als 20-Jähriger hat ich bei weitem nicht die Routine und Erfahrung. Da bin ich manchmal ins offene Messer gelaufen oder einfach dumm gewesen. Als 30-Jähriger habe ich mich im Vergleich zu heute körperlich sicher leichter getan. Man ist in dem Alter auch mutiger, 30 ist so etwas wie die Blütezeit. Und jetzt denke ich mir: Ich habe inzwischen so viel Erfahrung und weiß, was mir gut tut. Das habe ich mir in den letzten 20 Jahren erarbeitet und davon profitiere ich jetzt."
Die Speedrennen in Übersee, mit denen normalerweise die Saison beginnt
"Social-Distance-Problem besteht in Lake Louise jedenfalls keines. Und auch die Zuschauermenge hält sich dort in Grenzen. Lake Louise wäre sicher noch leichter zu fahren als dann in Amerika in Beaver Creek. Ich hoffe zwar, dass es stattfindet, weil ich diesen Ort liebe. Aber im Moment schaut es nicht gut aus.
Die Bedeutung von Zuschauern für einen Skifahrer
"Wenn man einmal schaut, bei welchen Rennen ich richtig gut war, dann waren es immer Rennen mit vielen Zuschauern: Kitzbühel, Wengen, ich hab' das gern. Da bin ich dann zwar nervöser, aber oft auch das eine oder andere Prozent besser. Ich hoffe schon, dass wir in Richtung Normalität kommen. Vielleicht werden in Kitzbühel nicht 70.000 sondern nur 30.000 Fans zugelassen. Aber wenn die sich gut aufteilen und einen Babyelefanten zwischen sich haben, dann sollte das kein Problem sein."
Seinen Plan B und die Karriere danach
"Eigentlich habe ich mir immer vorgenommen, dass ich nach der Karriere noch studiere, Marketing oder Wirtschaft. Wenn ich jetzt sehe, wie der Aksel Lund Svindal (Anm.der Norweger hat ein Firmenimperium mit zahlreichen Start-Up-Unternehmen aufgebaut) das betreibt, dann denke ich mir: ,Hannes, wie dumm bist du eigentlich.' Der Aksel macht Sachen, wo nimmt der die ganze Zeit her? Andererseits mache ich mir keine Sorgen. In meinem Leben hat sich immer alles gut gefügt."
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