Neun Monate Ski-Pause für Fenninger
Als Anna Fenninger auf dem Rettenbachferner hoch oberhalb von Sölden am Pistenrand lag, da hatten um sie herum alle noch die Hoffnung, dass die Geschichte ein gutes Ende nehmen könnte. Auf den ersten Blick war der Sturz eher einer der harmloseren Sorte, und auch Fenninger selbst reagierte anfänglich noch äußerst gefasst. "Aber da war auch ein bisschen ein Schock dabei", glaubt Meinhard Tatschl, der Vertrauenstrainer der Weltcupgesamtsiegerin, der das Malheur beim gemeinsamen Trainingskurs mit den ÖSV-Herren gefilmt hatte. "Und dann hat es ihr immer mehr weh getan."
Nach dem Abtransport mit dem Hubschrauber und den ersten genaueren Untersuchungen wurde dann erst die ganze Tragweite des folgenschweren Ausrutschers deutlich. Für Anna Fenninger ist die Saison gelaufen, noch ehe sie begonnen hat. Die beste Skifahrerin der Gegenwart hat sich bei diesem Allerweltssturz eine komplizierte Knieverletzung zugezogen.
Im rechten Knie der 26-Jährigen sind nicht nur das vordere Kreuzband und das innere Seitenband gerissen, auch die Patellarsehne, die ihr seit einigen Wochen bereits Probleme bereitet hatte, wurde in Mitleidenschaft gezogen. "Diese schwere Bandverletzung macht einen operativen Eingriff erforderlich", erklärt Dr. Christian Hoser, der Fenninger noch am Mittwoch in der Privatklinik Hochrum einem zweistündigen, erfolgreichen Eingriff unterzog.
Bei gutem Heilungsverlauf kann sie frühestens in neun Monaten wieder mit dem Skitraining beginnen.
"Es ist eine sehr schwere, aber nicht die schwerste vorstellbare Verletzung beim Skifahren", erklärte Hoser. "Das ist eine Verletzung, die schaffbar ist, und es besteht die Hoffnung und realistische Chance, dass sie zum Skifahren zurückkehren kann", betonte der Unfallchirurg und Sporttraumatologe.
Als Beispiel nannte er Stephan Görgl, der sich vor neun Jahren exakt "dieselbe Verletzung" zugezogen und danach ein erfolgreiches Weltcup-Comeback geschafft hatte. "Die besondere Dimension ist einfach der Riss der Patellarsehne, weil da eben der Streckapparat unterbrochen ist und dadurch eine sofortige Belastung nicht möglich ist", erläuterte Hoser.
Turbulenter Sommer
Dabei hatte Anna Fenninger das erste Weltcup-Rennen in Sölden so herbei gesehnt. Selten hatte sich die Salzburgerin in ihrer Karriere so auf einen Saisonstart gefreut, wie nach diesem turbulenten und nervenaufreibenden Sommer, den sie gerade hinter sich gebracht hat. Die 26-Jährige hatte heuer das Sommerloch ganz allein gefüllt. Über Wochen hatte der Streit zwischen Anna Fenninger, der Ski-Primadonna, und Peter Schröcksnadel, dem ÖSV-Patriarchen, die Nation beschäftigt – und auch in zwei Lager gespalten. Für kurze Zeit stand sogar das vorzeitige Karriereende im Raum, weil sich die 26-Jährige partout nicht von ihrem deutschen Manager Klaus Kärcher trennen wollte, wie es von der Verbandsführung gefordert worden war.
Nach einem Friedensgipfel und einer langen Aussprache haben sich seit einigen Wochen aber alle wieder lieb: Fenninger hat sich vom Manager getrennt und die Agenden – wie beim ÖSV üblich – Peter Schröcksnadel übergeben, dafür bekam sie für die neue Saison einen Konditionstrainer und eine eigene Pressebetreuerin zur Seite gestellt. "Es braucht oft einen Tsunami, bis wirklich etwas passiert – bzw. bis man etwas bewegen kann", hatte Fenninger gesagt. Und: "Ich bin wirklich froh, dass ich nun unbelastet in die neue Saison gehen kann."
Erfolgreicher Winter
Sölden wäre am Wochenende die perfekte Bühne für eine sportliche Antwort auf den mühsamen Sommer gewesen. Im Vorjahr hatte Fenninger dem Sieg im Riesentorlauf von Sölden den erfolgreichsten Winter ihrer Karriere folgen lassen: Mit drei WM-Medaillen und dem zweiten Gesamtweltcupsieg.
Titel und Trophäen sind für Fenninger nach der ersten schweren Verletzung ihrer Karriere nun aber nebensächlich. Wie sagte doch gleich ÖSV-Damenchef Jürgen Kriechbaum: "Wenn so etwas passiert, tritt das Streben nach Erfolg komplett in den Hintergrund."
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