Silber nach Leidenszeit: Wie Puchner die Olympia-Sensation gelang

Es gab Jahre, da fürchtete Mirjam Puchner nichts mehr als den Sommer. Während ihre Mannschaftskolleginnen nach der monatelangen Pause den ersten Schneekontakt kaum erwarten konnten, überkam die Pongauerin ein jedes Mal aufs Neue großes Unbehagen. "Immer wenn ich im August wieder in den Skischuh geschlüpft bin, hatte ich die Sorge: Spüre ich irgendwas? Tut’s weh? Wie reagiert das Gewebe?", erzählt Puchner.
An die Olympischen Spiele 2022 verschwendete Puchner vor zwei Jahren keine Gedanken. Vielmehr ging es für sie nur mehr darum, endlich wieder einmal ohne Schmerzen und Sorgen Skifahren zu können. "Man kann sich nicht vorstellen, wie schlimm es ist, wenn man dauernd Schmerzen hat", erzählt Puchner.

Ihre jahrelange Leidenszeit kam ihr in den Sinn, als sie am Freitag in Yanqing auf dem Siegespodest stand und die Silbermedaille im Super-G in Empfang nehmen durfte. "Das ist die Belohnung, dass ich mich durchgebissen habe", sagte die Olympia-Debütantin nach dem größten Erfolg ihrer Karriere.
Große Karriere prophezeit
Der Speedspezialistin aus St. Johann im Pongau war schon in jungen Jahren eine große Karriere prophezeit worden. Mit ihrer Größe von 1,80 bringt die Schwester von Joachim Puchner die idealen körperlichen Voraussetzungen für die Abfahrt mit, es gibt im Weltcup kaum eine Läuferin, die mit ihr in lang gezogenen Kurven und Gleitpassagen Schritt halten kann.
Doch dann kam die WM 2017 in St.Moritz, es kam die schwere Verletzung (Schien- und Wadenbeinbruch) – und das Unheil nahm für Mirjam Puchner seinen Lauf. Schmerzen waren danach ihr ständiger Wegbegleiter. Sie verlor das Vertrauen in den eigenen Körper und irgendwann auch die Freude am Skifahren. "Für den Kopf war das extrem anstrengend."
Als letzten Ausweg rieten ihr die Ärzte im Frühjahr 2020 zu einem drastischen Schritt. Mirjam Puchner begab sich in den Operationssaal und ließ sich das schlecht zusammengewachsene Wadenbein noch einmal brechen. "Das war die letzte Option, dass wir das Wadenbein durchschneiden. Hätte das nichts gebracht, hätte ich den Hut drauf geschmissen."

Nach diesem absichtlichen Knacks machte es bei ihr Klick. Mirjam Puchner kam wieder ohne Beschwerden in den Skischuh, sie konnte nach langer Zeit schmerzfrei Skifahren und endlich zeigen, welches Potenzial in ihr steckt. "Ich bin brutal stolz", sagte die Olympiadebütantin.
Vor dem Rennen hätte sie sich "eigenartig gefühlt. Ich habe mich immer gefragt: Wann kommt denn jetzt die Nervosität."
Die sollte erst nach ihrer rasanten Fahrt kommen. Das Warten im Ziel und das Zittern um die Medaille wäre viel schlimmer gewesen, verriet Puchner. "Da hat mein Herz richtig gepumpert."
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