Ex-Gasser-Trainer Scheidl: "Wir sind halt die Skination Nummer eins"
Anna Gasser gilt im WM-Slopestyle-Bewerb als Mitfavoritin. Christian Scheidl, ihr langjähriger Coach, über die Ausnahmeathletin und Nachwuchsprobleme in Österreich.
Auch wenn der Wind am "windy hill" das Programm der Freestyle-Snowboarder in Georgien ganz schön durcheinandergewirbelt hat und kaum richtige Trainingsläufe auf dem Kurs möglich waren: Der ÖSV hat am Montag im Slopestyle der Frauen (10 Uhr/live ORF1) mit Anna Gasser, der zweifachen Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Big Air, eine Medaillenanwärterin.
Die 31-Jährige ist eine der routiniertesten Fahrerinnen im Feld und immer noch ganz vorne mit dabei. Dass das in diesem Alter nicht selbstverständlich ist, weiß ihr langjähriger Trainer Christian Scheidl, der mittlerweile als TV-Experte die Bewerbe kommentiert.
KURIER: Was macht Anna Gasser zu so einer Ausnahmeathletin?
Christian Scheidl: Sie ist extrem fokussiert. Ich habe nie einen Athleten kennengelernt, der so viel an sich arbeitet, nie zufrieden ist, immer weiter geht. Das ist bis zu einem gewissen Grad Raubbau am eigenen Körper. Aber der Erfolg gibt ihr recht. Außergewöhnlich ist auch, wie spät sie begonnen hat. Erst mit 18, das ist eigentlich viel zu spät. Aber dadurch, dass sie so hart arbeitet, hat auch das funktioniert.
Gasser und Clemens Millauer sind die einzigen ÖSV-Starter im Freestyle-Snowboard bei der WM. Warum kann Österreich kein größeres Team stellen?
Das ist auf der einen Seite ein gesellschaftliches Problem. Es gibt in Österreich einfach wenig Eltern, die ihre Kinder auf ein Snowboard stellen. Damit ist der Pool, aus dem man „fischen“ kann, einfach viel kleiner. Auf der anderen Seite ist die Nachwuchsarbeit zwar vorhanden, aber zwischen den Landesverbänden nicht wirklich koordiniert.
Was würden Sie einem Kind raten, das in die Fußstapfen von Gasser treten will?
Viel Snowboarden und am besten ein bisschen Turnen und Trampolin springen für die Koordination.
Wie lange dauert eine Saison? Und wovon leben die Athleten?
Die Saison dauert neun bis zehn Monate. Es gibt mittlerweile große Mattenschanzen mit Airbags, in die man im Sommer reinspringen kann, um Sprünge zu üben. Ab einem gewissen Level geht es ohne Verband einfach nicht mehr. Das ist die Förderstruktur, die wir in Österreich haben, und die einzige, die wirklich funktioniert. Natürlich könnte es immer mehr sein. Aber ohne ÖSV gäbe es keinen Nachwuchs.
Wie wichtig sind Weltcup-Bewerbe? Es gibt ja noch andere wichtige Events wie die in den USA populären X-Games, bei denen Gasser viermal Gold gewonnen hat.
Die Weltcups sind im Laufe der Zeit immer wichtiger – und auch besser – geworden. Vor 15 Jahren war das noch nicht so. Die Aufmerksamkeit für die X-Games ist bei uns nicht so groß wie in Nordamerika, wo sie stattfinden. Freestyle hat dort einen ganz anderen Stellenwert. Auch in Australien und Neuseeland. Wir sind halt Skination Nummer eins. Das ist so, das stört mich als Snowboarder natürlich bis zu einem gewissen Grad. Ein bisschen mehr mediale Aufmerksamkeit würde man sich wünschen. Es muss nicht immer alles im Skifahren enden.
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