ÖSV-Präsidentin Stadlober: "Als Frau muss man ein wenig lauter sein"
Roswitha Stadlober wurde im Herbst 2021 zur ersten Präsidentin des Österreichischen Skiverbandes gewählt. An diesem Montag feiert die Salzburgerin, die zu ihrer aktiven Zeit unter dem Mädchennamen Steiner eine der besten Slalomläuferinnen der Welt war, ihren 60. Geburtstag.
KURIER: Man hört ja immer wieder, dass früher alles besser gewesen sei. Stimmt das?
Roswitha Stadlober: Es ist immer eine Frage des Blickwinkels. Aus Athleten-Sicht war der Sport zu meiner Zeit sicher bei weitem nicht so professionell wie heute. Es hängt heute auch wirtschaftlich viel mehr dran, es gibt viel mehr Möglichkeiten. Ich kann mich erinnern, dass ich damals die erste Frau war, die eine Werbung auf dem Stirnband hatte. Kopfsponsoren gab es vorher nicht.
Hätten Sie denn zu Ihrer aktiven Zeit vom Skisport leben können?
Was heißt leben. Es hängt ja immer auch vom Lebensstandard und Lebensstil ab. Ich war jetzt nicht unerfolgreich und habe trotzdem neben dem Skifahren in einer Bank gearbeitet. Das war unerlässlich und mir auch wichtig. Alle haben das damals gemacht. Frauen durften zu dieser Zeit noch nicht zum Bundesheer, viele waren bei den Skifirmen angestellt, damit sie versichert waren.
Welchen Stellenwert hatte der Frauensport in den 1980er-Jahren?
Die Besitzer der Skifirmen waren alle echte Patriarchen. Die Männer waren dominant und haben gesagt, was im Sport passiert. Frauensport hat heute zum Glück einen deutlich höheren Stellenwert. Wir sehen das zum Beispiel im Verband beim Frauen-Skispringen, auch der Frauenfußball boomt enorm. Ich habe den Eindruck, dass sich immer mehr Unternehmen mit Frauensport identifizieren und sagen: Mit Sportlerinnen erreichen wir im Marketing unser Zielpublikum.
Sie sind jetzt seit eineinhalb Jahren Präsidentin. Begegnet man Ihnen heute anders als beim Amtsantritt?
Die Aufmerksamkeit war auch am Anfang schon groß. Ich bin ja in gewisser Weise ein Role Model, indem ich zeige, dass es möglich ist, als normale Frau in eine gewisse Position zu kommen. Ich merke schon, dass ich bekannter geworden bin. Und wenn man in Österreich so einem Sportverband vorstehen darf, dann öffnen sich Türen. Ski Austria ist nun einmal eine Marke.
Gibt es eigentlich Tage, an denen Sie sich nicht mit dem Verband beschäftigen?
Kaum. In so einem großen Getriebe ist immer etwas los und zu tun. Ich habe zuletzt einmal versucht, ein Wochenende lang meine Mails nicht anzuschauen.
Ist es Ihnen gelungen?
Ich war immer eher eine, die gesagt hat: Das Handy ist nicht so wichtig. Jetzt ist das Handy immer in Griffweite. Es kann immer was kommen, und dann braucht es schnelle Entscheidungen und Rückmeldungen. Das habe ich lernen müssen, dass man in dieser Funktion sehr rasch reagieren muss.
Viel Stress für ein Ehrenamt.
Es ist auf jeden Fall eine große Verantwortung. Über das ganze Jahr gesehen ist es ein ehrenamtlicher Teilzeitjob, zu gewissen Zeiten kommt es sicher einem Fulltimejob gleich.
Wie weit blicken Sie in die Zukunft.
Momentan hänge ich eher im Tagesgeschäft. Meine Funktionsperiode geht bis 2024. Wir haben mit der Modernisierung des Verbandes begonnen, sind aber noch lange nicht abgeschlossen. Meine Visionen gehen natürlich weiter in die Zukunft. Wir haben große Veranstaltungen: Skiflug-WM am Kulm, die Ski-WM in Saalbach-Hinterglemm, die Snowboard- und Freeski und Freestyle WM- im Montafon, wir wollen wieder eine Biathlon-WM und auch eine Nordische WM – das sind große Projekte und Aufgaben.
Das heißt, Sie haben noch einiges vor und wollen länger ÖSV-Präsidentin sein.
Eine Periode möchte ich auf jeden Fall noch anhängen. Die Entscheidung liegt natürlich bei den Gremien. Was ich jedenfalls für mich sagen kann: Ich investiere sehr viel in das Amt und ich traue mich auch zu sagen, dass ich es gut mache. Natürlich wird es nicht jedem passen, aber das muss auch nicht sein. Ich will Ecken und Kanten haben.
Sind Sie jemand, der Klartext redet?
Kommunikation war mir immer schon ein großes Anliegen. Das war jetzt auch das zentrale Thema beim Ski Austria Symposium, an dem alle Mitarbeiter des Skiverbandes teilgenommen haben. Ich bin der Meinung, dass man Dinge ansprechen muss, wenn sie einen stören. Als Frau muss man das dann vielleicht noch ein wenig lauter machen, um sich Gehör zu verschaffen. Sonst heißt es womöglich: ,Ja hättest du dich doch gemeldet und was gesagt.’
Wie schwierig ist die Wahl der richtigen Worte?
Ich habe schon den Eindruck, dass man bei mir genauer hinschaut und hinhört. Nach dem Motto: Was sagt sie. Wie ist ihre Meinung.
Zum Abschluss: Wie geht’s Ihnen mit 60?
Ich bin wirklich zufrieden mit meinem Alter und meinem Wohlbefinden. Und solange sich meine Tochter, die halb so alt ist wie ich, hin und wieder von mir ein Kleidungsstück ausborgt oder umgekehrt, dann sind die 60 Jahre nicht so relevant.
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