Alexandra Meissnitzer wird 50: "Ich muss nicht jedem gefallen"
Ihr Geburtstag sei für sie immer ein Anlass, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und nach vorne zu blicken, sagt Alexandra Meissnitzer. Den 50er, den sie heute feiert, nimmt die Salzburgerin zwar sportlich („ich habe kein Problem mit dem Alter“), aber sie gibt im Gespräch dann doch zu: „Ein bisschen was macht das mit mir. Man zieht Bilanz: Was war bisher in meinem Leben? Und was habe ich erreicht?“
Wie fällt denn Ihre Lebensbilanz aus? Sie haben es geschafft, nach der Sport-Karriere wieder Karriere zu machen.
Ich habe auch viel dafür gemacht. Manche haben ja die Vorstellung: Wenn du im Sport erfolgreich warst, dann fällt dir alles zu, dann geht alles leicht weiter. Die Zeit im Sport war unvergesslich und intensiv und hat mich geprägt. Aber ich habe mir am Ende meiner Karriere gedacht: Wenn ich einmal 70 bin, dann will ich nicht sagen müssen: Die beste Zeit war bis 32. Ich finde meine Entwicklung am schönsten: von der Meissi zur Alexandra Meissnitzer
Sport
Alexandra Meissnitzer (*18. Juni 1973) ist eine der erfolgreichsten heimischen Skiläuferinnen. 1998/’99 gewann sie den Gesamtweltcup. Bei der WM 1999 holte die Salzburgerin Gold im Riesentorlauf und im Super-G. Dazu kommen vier weitere Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. 2008 beendete die Gewinnerin von 14 Weltcuprennen ihre Karriere
Leben
Alexandra Meissnitzer schloss nach Beendigung ihrer Karriere ein Studium zum Master of Business Administration ab. Seit 2008 ist die Abtenauerin für den ORF als Kameraläuferin und Kommentatorin im Einsatz. Die 50-Jährige moderiert und hält Vorträge: „Kommunikation war schon immer mein Thema“
Sie trauern der Zeit als Sportlerin also nicht nach?
Ich finde das Leben an sich sehr spannend. Der Leistungssport ist eine Blase, alles ist verplant. Du weißt am 3. Jänner, wo du am 12. Dezember sein wirst. Du musst dich um nicht viel kümmern, sondern hast nur die Aufgabe, schnell Ski zu fahren. Wenn du dann aufhörst, tut sich eine Riesenwelt auf. Mit dieser Freiheit muss man erst umgehen können. Wissen Sie, was dabei das Wichtigste ist?
Sagen Sie’s.
Egal, wie erfolgreich man war und ist, man darf sich nicht zu wichtig nehmen. Ich habe mich nach der Karriere ganz neu kennengelernt. Mit 50 stehe ich jetzt zu 100 Prozent zu mir selbst. Ich habe eine Meinung und traue mich, es auch zu sagen. Ich muss gar nicht jedem gefallen. Man glaubt immer, dass man viel Gegenwind kriegt, wenn man seine Meinung sagt. Aber eigentlich wird man dadurch nur glaubwürdiger.
Apropos Meinung sagen: Wie leicht fällt es Ihnen als ORF-Expertin, Kritik an den Läuferinnen zu üben?
Eines ist klar: Es ist unheimlich einfach, da drinnen zu sitzen und gescheit daher zu reden. Was ich überhaupt nicht mag, ist, auf jemanden hinzuhauen. Kritisch sein ja, aber es muss immer eine Form der Wertschätzung und des Respekts dabei sein. Manche Bemerkungen und Ausdrücke, die man immer wieder hört, sind wirklich unpassend.
Meinen Sie, wenn Läuferinnen mitunter als Mädels und Dirndln abgetan werden?
Ich habe kein Problem mit diesen Begriffen, wenn es zur Situation passt. Aber bei Frauen Mitte 20, die Weltmeisterin sind, wie Katharina Liensberger, brauche ich nicht von Dirndln reden. Manchmal wird einem vermittelt, als könnten sie nicht bis drei zählen und wären nur jung und völlig unbeholfen. Mir geht’s darum, dass man den Frauensport ernst nimmt.
Das ist jetzt kein rein skispezifisches Problem.
Es wird oft irgendwie vermittelt: Die sind unselbstständig, denen muss man sagen, wo’s langgeht. Das würde man bei Männern nie machen. Aber im Frauensport taucht das Thema immer wieder auf. Wenn irgendwas nicht läuft, dann heißt es: Man muss den Dirndln die Wadeln nach vorne richten. Keiner würde sich trauen, das einem Vincent Kriechmayr auf diese Art sagen.
Wie war das zu Ihrer Zeit?
Mein größter Bonus war, dass ich mit Renate Götschl und Michaela Dorfmeister gefahren bin, wir erfolgreich waren und uns gegenseitig gepusht haben. Wir hatten alle drei eine gewisse Härte. Die kriegst du, wenn du permanent kämpfst, die Erste zu sein. Dadurch waren wir auch für die Trainer nie die Dirndln. Wir haben dagegengehalten, das sage ich heute auch allen Frauen: Habt eine eigene Meinung und lasst nicht alles mit euch machen. Dieses Thema ist für mich immer wichtiger geworden.
Die Rolle der Frau im Sport und in der Gesellschaft?
Ich bin da sehr sensibel. Es ist besser geworden, aber Frauensport hat noch immer nicht den Stellenwert von Männersport. Beim Verdienst ist die Kluft riesig, nicht nur im Sport, ganz generell. Wir haben viel aufzuholen.
In welcher Hinsicht?
Ich habe am 8. März beim Weltfrauentag moderiert und mich natürlich über die Situation im internationalen Vergleich informiert. Man kann nicht behaupten, dass Österreich europaweit im Vorderfeld wäre. Wir haben heute so viele kluge Frauen in Spitzenpositionen. Trotzdem schwingt da immer wieder mit: Na ja, das muss wohl an der Frauenquote liegen. Ich glaube nicht, dass man eine Frau nimmt, nur weil sie eine Frau ist. Sondern weil sie gut im Job ist.
Insofern werden Sie es begrüßen, dass der ÖSV mit Roswitha Stadlober erstmals eine Präsidentin hat.
Da sind wir wieder beim Punkt. Eigentlich sollte es gar kein Thema sein, ob da jetzt eine Frau oder ein Mann an der Spitze steht. Lassen wir doch bitte die besten Leute vorne haben. Dann wird sich der Mix automatisch ergeben.
Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die Bessergestellten in der Gesellschaft sich in der Verantwortung sehen, jene mitzunehmen, denen es nicht so gut geht. Ich versuche, in meinem kleinen Universum etwas zu bewegen, weil ich mich ganz stark in der Verantwortung sehe, weil ich so ein privilegiertes Leben führen kann.
Abschließend: Gibt’s eigentlich ein Pensionsalter für Kamerafahrerinnen?
Ich denke schon darüber nach, wie lange das noch Sinn macht. Die Zahl 50 macht auch in diesem Bereich was. Und wenn ich bremsen müsste, weil ich mich nicht mehr traue, dann muss ich aufhören. Es soll ja schon ein bisschen sexy aussehen.
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