In den vergangenen Wochen läuft es ja nicht so schlecht.
Es hat in diesem Winter ein bisschen gedauert, bis wir in Schwung gekommen sind. Aber dafür dann so richtig. Jetzt haben wir vier verschiedene Saisonsieger, sechs Läufer, die schon auf dem Podest waren, wir haben jetzt ein richtig kompaktes Team. Und das macht mich fast ein bisschen stolz.
Und auf einmal ist der Name Marcel Hirscher kaum noch zu hören.
Genau. Das ist inzwischen Vergangenheit, der Marcel ist Vergangenheit – und ich meine das nicht abwertend. Ohne seine Erfolge und seine Bedeutung schmälern zu wollen, aber er ist im Team nicht mehr präsent. Es ist eine andere Zeit mit anderen Leuten.
Man hat fast das Gefühl, das Team ist jetzt befreiter.
Der letzte Winter war für uns alle keine einfache Situation. Alle haben nur darüber geredet, wer denn in Marcel Hirschers Fußstapfen tritt.
War das eine Belastung?
Jeder Läufer wollte natürlich diese Lücke füllen und der nächste Hero und Leithammel werden. Dass das nicht so einfach ist, hat man schon oft gesehen: Viele große Nationen hatten Probleme, wenn ein Superstar aufgehört hat. Italien ist zum Beispiel völlig weggebrochen, als Alberto Tomba seine Karriere beendet hat. Da gibt’s viele Beispiele. Ich habe inzwischen das Gefühl, dass sich unsere Mannschaft extrem gefestigt hat.
Und Marco Schwarz kann im Slalom eine Erfolgsserie vorweisen, die durchaus Hirscher-Dimensionen hat.
Genau. Sieben Podestränge in neun Rennen – es gibt nicht viele, denen das gelingt. Vor allem in einer Disziplin wie dem Slalom, wo die Dichte und das Niveau so enorm sind. Diese Konstanz beeindruckt mich. Chapeau! Und wissen Sie was?
Was denn?
Ich habe sogar das Gefühl, dass er im Slalom gar nicht einmal am Limit ist. Bei ihm hat man immer den Eindruck, da ginge sogar noch mehr.
Gilt das denn auch für seinen Kollegen Manuel Feller?
Manuel hat eine gewisse Ruhe bekommen. Und die braucht er auch, um gut Ski fahren zu können. Es passieren ihm dann immer wieder noch Ausrutscher, wenn er zu ungestüm wird und zu viel will. Dieses taktische Verhalten müssen wir noch in den Griff kriegen.
Wie geht’s Ihnen als Cheftrainer mit so einem Läufer, der immer wieder auch abseits der Piste für Schlagzeilen gut ist?
Gleich vorweg: Ich habe mit ihm wirklich ein sehr gutes Verhältnis. Der Manuel trägt eben sein Herz auf der Zunge. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, das muss jeder selbst beurteilen. Aber für uns Trainer ist er eigentlich sehr einfach zum Handhaben. Er ist halt, wie er ist. Viele wissen gar nicht, wie sozial er eigentlich eingestellt ist. Das macht vieles wett, wenn er gerade wieder einmal ein Rap-Video macht.
Sie sprechen das Video an, in dem er seinen Kritikern demonstrativ den Mittelfinger gezeigt hat.
Die letzten Sekunden des Videos und dieser Abgang haben mir nicht gefallen. Das war bei uns intern natürlich Diskussionsthema. Das geht nicht, das tut man nicht. Aber er ist damals in den sozialen Netzwerken dermaßen provoziert worden, dass er einfach ausgezuckt ist. Da ist der Gerechtigkeitsfanatiker in ihm durchgekommen. Aber er hat sich mittlerweile eh 100-mal dafür entschuldigt. Und das ist ein Zeichen von Stärke und sagt viel aus über den Charakter eines Menschen.
Bei dieser Weltmeisterschaft erleben die Parallelrennen ihre Premiere. Wie stehen Sie eigentlich zu diesem umstrittenen Bewerb?
Ich bin kein Freund dieser Parallelbewerbe. Die sind nur ein Lückenbüßer. Diese gekünstelten Bewerbe, die wir da hochgezogen haben, bringen alle nichts. Der Parallelslalom hat nichts gebracht, die City-Events auch nicht – ich glaube nicht, dass wir das brauchen.
Aber es gibt Medaillen zu gewinnen.
Und deshalb muss man dieses Rennen auch ernst nehmen. Auch wenn ich den Parallelbewerb nicht gut finde. Aber wir hatten heuer nur ein Rennen, wie soll man da zur WM ein Team aufstellen?
Ein großes Fragezeichen ist auch die Abfahrt. Außer den Italienern ist kein Läufer auf der Strecke gefahren.
Irgendwie kommen wir wie die Jungfrau zum Kind. Natürlich fährt man lieber auf einer Strecke, die man bereits kennt und auf der man schon Erfahrungswerte hat. Aber die Trainings sollten reichen, um die Strecke in den Griff zu kriegen.
Zur Person: Andreas Puelacher
Der Trainer
Andreas Puelacher (*21. April 1964) ist seit 2014 Chefcoachder ÖSV-Herren. In seiner langen Trainertätigkeit war der Tiroler auch in Liechtenstein und in der Schweiz engagiert. Puelacher ist staatlich geprüfter Skilehrer, Diplom-Sportlehrer und Skilehrwart.
Der Mensch
Der 56-Jährige ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Die größte Leidenschaft des Skitrainers ist das Drachenfliegen.
Die Erfolge
In Puelachers Amtszeit gewannen die österreichischen Ski-Herren bislang fünf Mal den Gesamtweltcup sowie neun kleine Kristallkugeln. Bei Olympischen Spielen wurden fünf Goldene sowie je einmal Silber und Bronze eingefahren, bei Weltmeisterschaften gab es fünf Goldene, sieben Silberne und vier Mal Bronze.
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