Seit Samstag ist Bernhard Unterkofler in China. Der Chefarzt des ÖOC kann sich über Langeweile und fehlende Arbeit nicht beschweren. „Seit der Ankunft geht es bei uns im Büro rund“, sagt der Internist. „Wir haben im Vorfeld der Spiele zwar versucht, so gut voraus zu sehen, wie es sein wird und was alles eintreten könnte. Aber einige Dinge sind dann doch anders, als gedacht.“
KURIER: Waren Sie überrascht, dass es nach der Ankunft in China gleich die ersten Fälle im ÖOC-Team gibt?
Bernhard Unterkofler: Nicht wirklich. Wir wussten ja, dass wir Sportler dabei haben, die im Jänner positiv waren und auch deshalb ein Risiko darstellen. Die beiden Personen, die sich jetzt in Quarantäne befinden, sind ja nicht die einzigen, bei denen noch vor Kurzem eine Covid-Infektion aufgetreten ist. Es waren ca. 10 bis 15 Leute am Freitag im Flieger, auf die das zutrifft. Ich will das jetzt nicht als Erfolg bezeichnen, aber es sind dann von der großen Delegation unter Anführungszeichen nur ein Sportler und ein Betreuer, die sich vorübergehend in Quarantäne befinden.
Warum hat es die zwei überhaupt erwischt? In den Tagen vor der Reise nach China wurde ja jeder mehrfach getestet.
Hätten wir das Testprozedere, das in China zur Anwendung kommt, im Vorfeld ganz genau gekannt, dann wären wir vor die schwierige Frage gestellt worden: Schicken wir jetzt alle rüber, oder gehen wir es noch defensiver an und warten bei dem einen oder anderen noch einige Tage zu.
Was heißt das konkret?
Nach österreichischem Ermessen wären die betroffenen Personen nicht in Quarantäne. Fakt ist: Die chinesischen Behörden wollen absolut kein Risiko eingehen und verhindern, dass infektiöse Personen frei herumlaufen. Deshalb geht man bei den Tests noch mehr in die Tiefe, um wirklich alle infektiösen Personen herauszufischen. Das hat zur Folge, dass einige wenige vorübergehend in Quarantäne müssen, obwohl sie in anderen Ländern als gesund gelten würden.
Hat diese Entwicklung Auswirkungen auf die Anreise der Sportler, die noch in Österreich sind?
Erstens einmal haben wir erwartet, dass Leute herausgefischt werden. Und grundsätzlich sind wir froh, dass wir so viele herübergebracht haben. Bei den Altpositiven wie etwa Katrin Beierl (Anm. die Bobpilotin hat gerade eine Coronainfektion überstanden) werden wir die Strategie nicht ändern. Wir bringen sie plangemäß nach China. Und sie sind alle mental darauf eingestellt, dass auch ihnen passieren könnte, dass sie in Quarantäne müssen. Was die Frisch-Positiven betrifft, muss man die Entwicklungen abwarten.
Wie sieht die Lage bei Sara Marita Kramer aus?
Das ist sowieso ein ganz frischer Fall. Da haben wir im Moment noch keine Ahnung, wo die Reise hingeht.
Ihr erster Einsatz wäre schon am Samstag. Ist das wirklich realistisch?
Nichts ist unmöglich. So lange kein zweiter Test vorliegt, können wir dazu sowieso nichts sagen. Aber natürlich ist bei jemandem, der gerade frisch positiv auf das Coronavirus getestet wurde, die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass es eng wird. So ehrlich muss man sein.
Es sieht fast danach aus, als wäre es die größte Hürde, überhaupt nach China zu kommen.
Bei Omikron ist die Inkubationszeit kürzer, meist bei bis zu fünf Tagen, was so die magische Grenze ist. Faktum ist: Ist man erst einmal im Land und hat die ersten fünf Tage überstanden und vermischt sich dann auch nicht mit Neuankömmlingen, dann geht das Ansteckungsrisiko gegen null.
Bei den Sommerspielen 2021 in Tokio hatte es keinen einzigen Fall im österreichischen Team gegeben. Jetzt poppt fast täglich was auf. Woran liegt das?
Ich bin kein Epidemiologe oder Infektiologe, aber eines ist klar: Das Infektionsgeschehen, das in Mitteleuropa gerade vorherrscht, kann man in keinster Weise mit dem Sommer 2021 vergleichen. Da kann man nicht einmal von Äpfel und Birnen sprechen, das ist etwas komplett anderes. Dass es genau rund um Olympia und zum Abflug diese hohe Infektionslage gibt, ist das größte Pech, das man haben kann. Wir haben schon im Vorfeld intern Schätzungen angestellt, wie viele es erwischen wird. Da war es einfach zu erwarten, dass wir Fälle produzieren. Und das betrifft übrigens alle Nationen.
Mussten Sie in China eigentlich auch schon ein normales Wehwehchen behandeln, oder dreht sich alles um Corona?
Ich habe tatsächlich meinen Medizinkoffer einmal kurz öffnen müssen, weil wer was gebraucht hat. Aber natürlich ist Corona das zentrale Thema. Wir sind angekommen, haben uns in Büro gesetzt und es seither praktisch nicht mehr verlassen.
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