Mario Stecher: „Wir schauen nicht mehr so auf die anderen“
Seit Frühjahr 2018 ist Mario Stecher Nordischer Direktor beim ÖSV und damit der Verantwortliche für Skispringer und Kombinierer. Er übernahm damals das Amt nach einer Saison, in der die österreichischen Skispringer ohne Weltcupsieg und Olympia-Medaille geblieben waren. Vor dem Neujahrsspringen in Garmisch (14 Uhr, live ORFeins) führen die Österreicher nun seit langem wieder die Nationenwertung an.
KURIER: Ist das nur eine Momentaufnahme?
Mario Stecher: Diese Führung ist auf keinen Fall nur eine Momentaufnahme. Man sieht durch die Bank eine Entwicklung. Wir sind seit dem ersten Saisonspringen auf einem anderen Level unterwegs. Und zwar als gesamtes Team.
Woher kommt dieser mannschaftliche Aufwärtstrend?
Natürlich haben wir ganz genau aufgearbeitet, wo die Probleme liegen. Wir hatten Defizite, gerade was die wichtigen ersten Meter in der Luft betrifft. In diesem Bereich haben wir viel aufgeholt. Und wir schauen jetzt auch nicht mehr so viel darauf, was die anderen machen.
Was heißt das konkret?
Es war auffällig, dass wir sehr, sehr viel auf die anderen Springer und Nationen geschaut haben. Was machen die? Was haben die für Material? Das ist auch normal und nachvollziehbar, wenn man verunsichert ist. Aber bringen tut das nichts.
Und wie ist es jetzt?
Ich habe jetzt den Eindruck, dass wir uns nicht mehr an den anderen orientieren, sondern uns wieder auf die eigenen Stärken besinnen und unseren Weg gehen. Das ist definitiv der bessere Zugang. Weil eines ist klar: Die Leute, die wir hier bei der Tournee dabei haben, können alle sehr gut skispringen.
Apropos gut springen: Ist für Sie als Sportdirektor die Nationenwertung womöglich sogar wichtiger als der Einzelweltcup?
Für den Skiverband hat die Teamwertung zweifelsohne immer eine große Bedeutung. Das wird vielleicht in der Öffentlichkeit nicht immer so wahrgenommen, aber wenn man als Mannschaft die Nummer eins ist, dann ist das die Bestätigung, dass man einiges richtig gemacht hat. An dem wird auch ein Trainer gemessen. Ein einzelner starker Athlet kann einem manchmal passieren, da hat oft der Trainer wenig Einfluss. Trotzdem ist es natürlich enorm wichtig, dass einer ganz vorne ist und ums Podium mitmischt.
Welchen Verdienst hat Trainer Andreas Felder am Wiedererstarken der österreichischen Springer?
Der ursprüngliche Gedanke bei seiner Bestellung war: Wir standen ein Jahr vor der Heim-WM in Seefeld. Und da hat es jemanden gebraucht, der Erfahrung hat und Ruhe bewahrt. Einfach einen, der mit allen Wassern gewaschen ist. Und das ist der Andi. Dem kann keiner was vormachen. Es ist heuer schon zu beobachten, wie sich das Team nach anfänglichem Abtasten gefunden hat. Wir haben jetzt Co-Trainer, die ihre Rolle kennen, die das auch gut ausgleichen. Daher funktioniert das jetzt sehr gut.
Sind die Ansprüche wieder gestiegen?
Der ÖSV muss im Skispringen immer den Anspruch haben, unter die Top drei zu kommen. Wir haben heuer schon fünf verschiedene Leute unter die ersten fünf gebracht. Deshalb sind wir jetzt in der glücklichen Lage, dass wir diese Ziele auch so deutlich formulieren können. Wenn ich mich da an die Tournee im letzten Jahr erinnere: Da waren die Voraussetzungen eher sehr bescheiden. Wir sind inzwischen anders aufgestellt, und dann musst du die Ziele auch dementsprechend hoch aussprechen.
Welche Entwicklung hat Sie meisten verblüfft?
Verblüfft würde ich nicht sagen. Überzeugt trifft es eher. Mir taugt, welchen Weg ein Philipp Aschenwald geht. Er hat den nächsten Schritt gemacht und merkt inzwischen selbst, wo es mit ihm hingehen kann. Mit welcher Konstanz er das umsetzt, ist bewundernswert. Man sieht auch, was bei Jan Hörl weitergegangen ist. Der ist ein Jungspund mit enorm viel Neugier und Willen. Diese Energie der Jungen überträgt sich auf die ganze Mannschaft. Das ist schön.
Wie sehen Sie die Situation von Gregor Schlierenzauer?
Er war unbestritten über Jahre der mit Abstand beste Skispringer der Welt und hatte danach ein Loch. Ich habe das Gefühl, dass er sich wieder seiner Stärken besinnt. Werner Schuster hat ihm eingetrichtert, dass er vor allem an sich arbeiten muss. Dass es keinen Ski und keinen Anzug gibt, der ihn zu einem besseren Skispringer macht. Der Gregor nimmt das jetzt Gott sei Dank an. Weil er weiß, dass es mit Werner Schuster schon einmal in seiner Karriere gut geklappt hat. Da gibt es blindes Vertrauen.
Birgt das nicht auch Konfliktpotenzial, wenn ein Athlet einen eigenen Betreuer hat?
Nein, weil wir von Anfang an alles klar abgesteckt haben: Werner Schuster betreut und berät Gregor daheim, er ist aber im Endeffekt bei keinem Wettkampf dabei. Wenn du einen Privatcoach hast, der auch zu den Springen kommt, dann hättest du nur Probleme. Dann fühlen sich zwangsläufig die anderen Athleten benachteiligt. Natürlich werden die Pessimisten und die Leute, die den Gregor vielleicht nicht so mögen, entgegenhalten: ,Irgendwann muss einmal Schluss sein.’ Aber so einen Skispringer muss man erst wiederfinden. Auch Präsident Schröcksnadel ist der Meinung, dass man solchen Sportlern auch etwas zurückgeben muss. Das tun wir.
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