ÖSV-Legende Hermann Maier: "Ich traue Hirscher den Stenmark-Rekord zu"
Hermann Maier ist keiner, der ins Rampenlicht drängt. Öffentliche Auftritte haben Seltenheitswert, auch in den Untiefen von Social Media taucht der Skistar a. D. bewusst unter. Maier genießt seinen Legendenstatus lieber in aller Beschaulichkeit.
Die beliebte Universum-Serie des ORF, für die der 51-Jährige vor der Kamera steht, passt da gut ins Bild. Bei Hermann Maier: Meine Heimat ist der zweifache Olympiasieger zwar das prominente Gesicht, aber nicht der Hauptdarsteller. Das ist die Natur. In der aktuellen Folge, die am Mittwoch in Mayrhofen präsentiert wurde und am 22. Oktober zur Primetime ausgestrahlt wird, erforscht Hermann Maier das Zillertal.
Rangkämpfe!
Dabei geht es unter anderem auch um die Rangkämpfe der Steinböcke, womit wir auch schon beim Skisport wären.
Dort findet gewöhnlich in den Tagen und Wochen vor dem Saisonauftakt ein Kampf um die Aufmerksamkeit und die Schlagzeilen statt, doch in diesem Jahr erweckt es den Anschein, als gäbe es nur einen Skifahrer auf dem Planeten. Marcel da, Hirscher dort, Marcel Hischer überall.
Man merkt es Hermann Maier förmlich an, dass ihn dieses Tamtam um das Comeback des achtfachen Gesamtweltcupsiegers irritiert. „Es wird da bei ihm von vorne bis hinten alles inszeniert, als käme er gerade nach einer schweren Verletzung zurück“, sagt Maier. „Sein Hauptsponsor ist nun einmal bekannt dafür, so eine Geschichte in all ihren Facetten auszuschmücken. Ich glaube trotzdem, dass das Ganze den einen oder anderen nervt.“
Was Hermann Maier auch wundert: Dass der Österreichische Skiverband den ganzen Zinnober einfach so hinnimmt und sich einigelt. „Ich weiß nicht, was los ist: Aber die Österreicher sind in der Versenkung. Wir haben heuer eine Heim-WM und du kriegst von den österreichischen Läufern nichts mit. Der ÖSV überlässt die ganze Bühne dem Hirscher.“
Ein Vorgeschmack auf die Zukunft? „Vieles deutet darauf hin, dass da ein Firmenteam entsteht. Ein Modell, das die nationalen Verbände durchaus aushebeln könnte.“
Hermann Maier würde sich manchmal wünschen, dass man die Aussagen von Marcel Hirscher nicht immer so ernst nimmt. Etwa wenn er mit dem Brustton der Überzeugung behauptet, dass er nicht konkurrenzfähig sei. „Die Tiefstapeleien haben in ihrem Ausmaß eher noch zugenommen. Es wird leider sehr unglaubwürdig, wenn er sagt, dass er vier Sekunden langsamer ist. Das nimmt ihm doch keiner ab. Aber das war eigentlich auch früher schon das Erfolgsmodell.“
Maier hält Marcel Hirscher indes nicht nur für konkurrenzfähig, „für mich ist er sogar in der Lage, vom Stand aus zu gewinnen. Er wird vom ersten Rennen weg zu den Siegläufern gehören.“ Maier kann seine steile These auch plausibel begründen.
Odermatts Gegner?
Denn auch Maier teilt die Einschätzung einiger Experten, dass das Comeback von Marcel Hirscher in Wahrheit ja gar kein echtes Comeback sei. „Er hat ja nicht plötzlich wieder mit dem Skifahren angefangen, sondern war ständig dabei. Er hat sich skifahrerisch weiterentwickelt, war viel im Gelände unterwegs und hat auch den Vergleich mit Henrik Kristoffersen, Alexis Pinturault oder einigen anderen gehabt. In Wahrheit weiß er jetzt ganz genau, wo er herumschwirrt.“
Hermann Maier sieht in Hirscher sogar einen potenziellen Herausforderer von Marco Odermatt im Kampf um den Gesamtweltcup. „Wenn Odermatt so fährt, wie in den letzten Jahren, dann ist er unschlagbar. Aber passieren darf ihm nichts“, meint Hermann Maier. Sonst könnte Marcel Hirscher erneut die große Stunde schlagen. „Odermatts größte Herausforderer, ob Schwarz, Kilde oder Pinturault, sind ja alle rekonvaleszent. Ein größeres Wunder wäre eigentlich, wären sie jetzt schneller als Marcel. Und wenn er sein Comeback, wie er es nennt, ein paar Jahre länger macht, dann ist auch der Stenmark-Rekord mit 86 Weltcupsiegen möglich.“ Aktuell hält Marcel Hirscher bei 67 Erfolgen.
Den aktuellen Läufern wünscht Maier jedenfalls ein dickes Nervenkostüm. „Wenn ich der Manuel Feller wäre und als Kugelgewinner und bester Slalomfahrer der Welt Fragen zu Hirscher beantworten müsste, dann würde mir das furchtbar auf die Nerven gehen.“ Das wird sich freilich nicht vermeiden lassen. „Es wird genau das in Sölden passieren: Da wird jeder Österreicher vom ORF-Mann gefragt: Wie schaut’s aus, was sagt ihr zum Marcel? Dann musst du eigentlich schreien und davonrennen.“
Wenn jetzt schon Marcel Hirscher und – wie dieser Tage bekannt wurde – auch Lindsey Vonn auf die Bühne zurückkehren: Warum wagt nicht auch der berühmte Herminator ein Comeback? Die vier Sekunden Rückstand, die Hirscher für sich reklamiert, würde wohl auch er mit seinen 51 Jahren noch locker hinkriegen. Hermann Maier winkt dankend ab, er hat solche Publicity nicht notwendig. „Für mich gibt es jetzt definitiv Wichtigeres als Rot und Blau“, betont Maier.
Genussprojekt?
Dass für Hirscher das Regulativ geändert wurde, er nun in den Genuss einer Wildcard kommt und mit Nummer 31 ins Rennen gehen darf, kann Hermann Maier aus Sicht der FIS und der Veranstalter nachvollziehen. „Dass diese Änderung ausgerechnet heuer vorgenommen wurde, macht sie zur Lex Hirscher. Für mich wäre es freilich spannender gewesen, zu sehen, wie er sich in der Startliste nach oben arbeitet.“ Aber dann wäre es vielleicht kein Herzens- und Spaßprojekt mehr. Genau so bezeichnet Marcel Hirscher bekanntlich sein Comeback. „Ich würde es Marcel wirklich gönnen, dass es ein Spaßprojekt ist und bleibt.“
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