Aleksander Aamodt Kilde gewinnt die Abfahrt in Kitzbühel
45.000 Zuschauer können nicht irren: Menschenmassen säumten die Kitzbüheler Streif an diesem trüben Tiroler Samstag. Und es war ja auch einiges zu erwarten nach dem Sieg von Vincent Kriechmayr in der Weltcup-Abfahrt am Freitag: der nächste Erfolg des doppelten Speedweltmeisters aus Oberösterreich, der letzte Auftritt des dreifachen Hahnenkamm-Siegers Beat Feuz – und dazu endlich einmal wieder ein Wintertag, wie es ihn in dieser Saison noch nicht allzu oft gegeben hat.
Bei minus drei Grad und leichtem Schneefall sorgte zunächst der Amerikaner Jared Goldberg für Spektakel, der mit Startnummer fünf in der Traverse ins Netz rauschte und erst befreit werden musste. Diese Unterbrechung machte es für die folgenden Fahrer angesichts des Schneefalls nicht einfacher.
Ungeliebte Pause
Goldbergs Teamkollege Ryan Cochran-Siegle (Nummer sechs) verlor viel Zeit, und nicht viel besser erging es Vincent Kriechmayr (sieben). Nummer zwölf feierte die vorläufige Bestzeit, der Franzose Johan Clarey wurde mit seinen 42 Jahren dennoch nicht der älteste Sieger im Skiweltcup. Denn mit Nummer 14 stürzte sich der beste Abfahrer der Gegenwart in die Mausefalle.
Triumph des Besten
Und Aleksander Aamodt Kilde, der am Freitag noch mit Glück und Geschick an einer „Katastrophe" (Kilde) vorbeigeschrammt war, hatte den Durchblick und phänomenale Skier, der 30-jährige Norweger bewältigte die Streif in 1:56,90 Minuten und verwies Clarey um 0,67 Sekunden auf den zweiten Rang. Der Amerikaner Travis Ganong hatte als Dritter bereits 0,95 Sekunden Rückstand, eine Welt in diesem Hochgeschwindigkeitssport.
Für Kilde war es der fünfte Abfahrtssieg in diesem Winter, damit ist er auf Kurs zum Rekord von Stephan Eberharter, der 2001/'02 sechs Mal gewann. Und er feierte ein Jubiläum: 20. Erfolg in seiner Weltcup-Karriere (elf in der Abfahrt, neun im Super-G). In Abwesenheit seines erholungsbedürftigen Schweizer Rivalen Marco Odermatt (Knieprobleme nach einem wilden Ritt am Freitag) verkürzte der Gesamtweltcupsieger der Saison 2019/'20 seinen Rückstand im Rennen um die große Kristallkugel auf 225 Punkte.
„Heute hatte ich ein gutes Gefühl“, sagte Kilde, der sich ja zu allem Überfluss auch noch einen kleineren Handknochenbruch im Donnerstag-Training zugezogen hatte. „Es war gutes Skifahren, und im unteren Teil heute ein bisschen mehr mit Köpfchen und nicht nur mit Kraft – das hat gereicht.“
Das Lob des Weltmeisters
Vincent Kriechmayr, der 1,30 Sekunden auf die Bestzeit verlor und Fünfter wurde, hat „das U-Hakerl nicht ganz so erwischt wie am Freitag, das ist das einzige. Die Unterbrechung war halt nicht ganz optimal, da wird die Spur nicht unbedingt schneller“, sagte der amtierende Abfahrts- und Super-G-Weltmeister aus Gramastetten. „Aber das wird es auch nicht gewesen sein. Aleks ist schon gewaltig gefahren.“
Der verkühlte Otmar Striedinger konnte mit dem sechsten Rang endlich einmal seine Trainingsleistungen im Rennen bestätigen (+1,50). „Ich hab’ ein paar blöde Hakler gemacht“, sagte der Kärntner, „und ich klinge, als wäre ich gestern auf der Weißwurstparty gewesen. Aber davon abgesehen war’s ganz okay.“ Kriechmayrs oberösterreichischer Landsmann Daniel Hemetsberger war mit 1,52 Sekunden Rückstand exakt gleich schnell wie der seit 2019 für Deutschland startende Tiroler Romed Baumann, das brachte dem Duo den achten Rang.
Stefan Babinsky (32./+3,37) und Andreas Ploier (40./+4,05) verpassten die Punkteränge. Pech hatte Julian Schütter, der früh im Netz landete und danach über ein zwickendes Knie klagte.
Abgang des Olympiasiegers
Beat Feuz, dreifacher Sieger am Hahnenkamm, hatte im letzten Rennen seiner Karriere nichts mit dem Sieg zu tun und handelte sich 2,01 Sekunden Rückstand ein. Der Schweizer wurde im Ziel von Frau und Kindern in Empfang genommen, und der 35-jährige Wahl-Tiroler wurde gebührend in die Skipension verabschiedet. Was wohl noch lange Bestand haben wird, ist sein Rekord von 47 Podestplätzen in der Abfahrt, 13 hat der Emmentaler gewonnen.
Ohne seine Knieprobleme - sogar die Amputation war einst wegen einer lange Zeit kaum therapierbaren Infektion zur Diskussion gestanden - wären es wohl noch mehr geworden. Doch auch so kann sich die Bilanz von Olympia-Gold (Abfahrt 2022), -Silber (Super-G 2018) und -Bronze (Abfahrt 2018), WM-Gold (Abfahrt 2018) und -Bronze (Abfahrt 2015 und 2021) sowie vier kleinen Kristallkugeln sehen lassen.
Ausgeschieden u.a.: Julian Schütter (AUT), Jared Goldberg (USA), Thomas Dreßen (GER), Cyprien Sarrazin (FRA), Sam Morse (USA)
Weltcup, gesamt (22/39):
1. Marco Odermatt (SUI) 1.186 2. Aleksander Aamodt Kilde (NOR) 961 3. Vincent Kriechmayr (AUT) 677 4. Henrik Kristoffersen (NOR) 665 5. Lucas Braathen (NOR) 525 6. Loic Meillard (SUI) 507 7. Alexis Pinturault (FRA) 437 8. Manuel Feller (AUT) 406 9. Marco Schwarz (AUT) 377 10. James Crawford (CAN) 322 11. Johan Clarey (FRA) 291 12. Zan Kranjec (SLO) 290 13. Daniel Hemetsberger (AUT) 275 14. Atle Lie McGrath (NOR) 274 15. Stefan Rogentin (SUI) 273 17. Matthias Mayer (AUT) 268 29. Otmar Striedinger (AUT) 159
Abfahrt Männer (8/11):
1. Aleksander Aamodt Kilde (NOR) 620 2. Vincent Kriechmayr (AUT) 464 3. Marco Odermatt (SUI) 386 4. Johan Clarey (FRA) 276 5. Mattia Casse (ITA) 233 6. James Crawford (CAN) 226 7. Niels Hintermann (SUI) 201 8. Matthias Mayer (AUT) 182 9. Beat Feuz (SUI) 179 10. Daniel Hemetsberger (AUT) 178 11. Travis Ganong (USA) 164 12. Florian Schieder (ITA) 157 13. Otmar Striedinger (AUT) 148 14. Ryan Cochran-Siegle (USA) 145 15. Romed Baumann (GER) 140
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