Thiem selbstkritisch: "Diesmal kann ich mir etwas vorwerfen"

PK Dominic Thiem
Österreichs Tennis-Ass spricht über die Finalniederlage in Melbourne, seinen Beziehungsstatus und die nächsten Ziele.

Die erste Begrüßung war für den Hugo. Der Labrador hatte Vorrang. Unmittelbar nach der Ankunft in Wien-Schwechat gestern Mittag umarmte Dominic Thiem den Familienhund Hugo, danach kamen die Zweibeiner an die Reihe. Vor allem jene Familienmitglieder, die nicht in Melbourne die erfolgreichen Wochen miterlebt haben: die Großeltern. Die Eltern Karin und Wolfgang waren bei den für den Sprössling so erfolgreichen Wochen bei den Australian Open ohnehin mit von der Partie.

So auch beim Finaleinzug beim ersten Grand-Slam-Turnier 2020, dem ersten eines Österreichers überhaupt. Was fehlte, war nur das Happy End, mitgenommen hat Thiem aber die Erkenntnis, auch beim Showdown dem Serben Novak Djokovic mehr als nur Paroli geboten zu haben.

Selbst nach einer strapaziösen 20-stündigen Reise inklusive stürmischen Landeanflugs auf Schwechat stand Österreichs Nummer eins den Medienvertretern Rede und Antwort, ehe sich der 26-jährige Niederösterreicher in den wohlverdienten Urlaub vertschüsste. "Ich freue mich jetzt vor allem auf das Essen bei den Großeltern." Ein paar Tage möchte er nun ausspannen und die leeren Akkus wieder füllen. Davor sprach Thiem aber noch einmal ausführlich über ...

Thiem kommt am Flughafen Wien an

... die Hoffnung auf den ersten Grand-Slam-Titel nach drei verlorenen Finalspielen.

Einerseits war die Finalniederlage eine Enttäuschung, andererseits eine Riesen-Motivation für die nächsten großen Turniere. Die ersten beiden verlorenen Finalspiele waren klare Sachen gegen Rafael Nadal in Paris. Da war ich weit weg. Dieses Mal war es knapp, hätte es auch anders ausgehen können, da kann ich mir etwas vorwerfen. So nahe war ich noch nie dran. Aber Andy Murray hat vier Grand-Slam-Finale verloren, ehe er dann doch drei gewann und Nummer eins der Welt wurde. Ich nehme ihn als Vorbild (lacht). Aber es kann sein, dass ich auch die nächsten zwei Grand-Slam-Finale verliere. Nadal gilt es auf Sand zu schlagen, Djokovic ist der Beste auf Hartplatz, und Federer kann noch immer auf Rasen in Wimbledon gewinnen. Und dahinter werden auch die Jüngeren zu beachten sein, wie Alexander Zverev, Stefanos Tsitsipas oder Daniil Medwedew.

... seine enormen Fortschritte.

Ich habe bis zum Ende mein Level gehalten, schon zuvor gegen Nadal und Zverev, aber auch im Finale gegen Djokovic. Ich hatte keinen Einbruch. Es gelingt mir immer besser, den Level vom Training rüberzubringen ins Match und zu halten. Den Sieg gegen Djokovic beim ATP-Finale in London nehme ich sogar aus, da habe ich sogar über meinem Level gespielt. Jetzt habe ich genau gespielt, was ich drauf habe und konnte absolut mithalten. Ich hatte in den vergangenen vier Monaten kaum Schwächephasen.

PK DOMINIC THIEM

... über sein Ranking, es fehlt nicht viel auf Platz drei und Roger Federer.

Natürlich wären die Top 3 schön, aber es ist nicht mein Hauptziel. Das ist vielmehr, dass ich weiter auf dem Level wie in Australien spiele, dann sollte sich das mit dem Ranking von allein ergeben.

... die Trennung von Coach Thomas Muster.

Da wurde mehr Trara gemacht, als es wirklich war. Wir sind einfach zwei unterschiedliche Charaktere. Was ihm zum Erfolg verholfen hat, muss mir nicht unbedingt helfen. Es hat eben nicht geklappt.

... die Tatsache, dass er immer mehr Chef im Team Thiem wird, nachdem er sich schon im Vorjahr von Langzeit-Trainer Günter Bresnik getrennt hat.

Das ist ein Reifeprozess, den man mit den Jahren erreicht. Mit 21 gelang mir das noch nicht so. Jetzt weiß ich viel besser, was ich für die großen Turniere brauche. Ich muss mich wohlfühlen dabei.

Bruder Moritz Thiem über die Zeit vor dem Finale

... seine eindrucksvolle Rede bei der Siegerehrung in Melbourne.

Das war nicht einstudiert, das kam aus dem Bauch heraus. Das mache ich immer so, denn dann sage ich auch genau das, was ich mir in dem Moment denke. In diesen zwei Wochen denken wir Spieler immer nur an unsere Partien. Aber es gibt so viele Katastrophen, gerade in Australien mit den Buschfeuern. Da merkt man, dass es wichtigere Dinge als Tennis gibt. Aber dennoch hat der Sport eine wesentliche Bedeutung. Unsere Aufgabe ist es, von den Problemen abzulenken, den Menschen Freude zu schenken.

... eine fehlende Freundin in der Box.

Alles zu seiner Zeit, derzeit hat dies keine Priorität für mich. Ich bin nicht aktiv auf der Suche. Aber es kommt sicher die Zeit, da wird es eine Freundin in meiner Box geben.

... das große Medienecho in Österreich.

Ich habe es nicht so mitbekommen, was in Österreich so los war. Aber ich habe sehr viele Nachrichten bekommen, nicht nur aus Österreich. Auch Fußballer haben mir gratuliert, David Alaba zum Beispiel. Aber das Interesse in Melbourne war sensationell. Heuer waren bereits 850.000 Zuschauer da, in zwei Jahren will man dort die Millionen-Grenze knacken.

... seine nächsten Tage.

Ich freue mich jetzt auf meine eigenen vier Wände, nachdem ich die letzten zwei Monate in Hotels verbracht habe. Und auf Österreich allgemein.

Der Großvater erinnert sich an den jungen Thiem

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