Der Gipfelstürmer: Dominic Thiems Weg an die Tennis-Spitze
Dominic Thiem ist in aller Munde. Dominic Thiem zieht die Massen an. Selbst Leute, die bislang nicht wussten, was ein Tiebreak ist und ein Ass für eine Karte beim Bauernschnapsen hielten.
Und Dominic Thiem war knapp dran am ersten Einzel-Triumph bei einem Grand-Slam-Turnier eines Österreichers seit 1995, als Thomas Muster die French Open gewann. Trotz der finalen 4:6-6:4-6:2-3:6-4:6-Niederlage gegen den Serben Novak Djokovic gab es viele positive Erkenntnisse, die man aus den jüngsten zwei Wochen mitnehmen konnte. Auf was darf sich die immer größer werdende Fan-Gemeinde freuen, wann ist mit dem großen Wurf zu rechnen? Der KURIER gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen:
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Wie weit kann Thiem im Ranking kommen?
In den nächsten Monaten sollte sich Platz drei auf jeden Fall ausgehen. Roger Federer muss Ende des Monats 500 Punkte vom Turniersieg in Dubai verteidigen, liegt als Dritter nur 85 Punkte vor Thiem. Im März haben beide Herren viel zu verteidigen, Thiem gewann im Vorjahr im Finale von Indian Wells gegen den Schweizer und machte 1.000 Punkte, Federer blieben 600.
Thiems großer Vorteil: Seit den US Open im Vorjahr holte Thiem die zweitmeisten Punkte nach Djokovic. Der Lichtenwörther punktete seit Anfang Oktober kräftig, holte 3.335 Zähler. Nur allein mit der Punkteanzahl der vergangenen vier Monate wäre Thiem die Nummer acht der Welt und für das ATP-Finale in London qualifiziert. Jedoch Djokovic hat sich im selben Zeitraum 4.545 Zähler gutschreiben lassen. Insgesamt hält Thiem derzeit bei 7.045 Punkten – so viele hatte der Lichtenwörther noch nie.
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Wann klappt es mit dem ersten Grand-Slam-Titel?
Im Spätfrühling zählt Thiem bei seinem Lieblings-Grand-Slam in Paris (ab 24. Mai) zu den Favoriten. 2016 und 2017 kam er bei den French Open jeweils ins Semifinale, 2018 und 2019 wurde er erst von Rafael Nadal besiegt. "Ich glaube nicht, dass sich Djokovic und Nadal heuer wieder alle Grand-Slam-Turniere aufteilen. Und von den Jungen steht Thiem in der Poleposition", sagt Ex-Trainer Günter Bresnik. Alle Experten und Konkurrenten, wie Djokovic sind sich einig: Thiem wird mehrere Grand-Slam-Turniere gewinnen. Mit jedem verlorenen Endspiel gewinnt Österreichs Ass an Erfahrung. "Mit seinem Alter, mit seinen Jahren auf der Tour, das hat dazu geführt, dass er die entsprechende Reife, diese Abgebrühtheit, diese Stabilität gekriegt hat auf dem Platz", sagt Trainer-Vater Wolfgang Thiem.
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Was hat Thiem vor allem bei den Australian Open bewirkt?
Sein Finalauftritt bescherte ServusTV Rekordquoten. Bis zu 783.000 Zuschauer und ein Marktanteil von 45 Prozent machten das Melbourne-Endspiel am Sonntag zur bisher meistgesehenen Sendung des heimischen Privatfernsehsenders, wie dieser in einer Aussendung am Montag mitteilte. Spitzenwert waren 1.064.000 Zuschauer. Der Sender hatte einen Marktanteil von 45 Prozent und 51 Prozent in der Zielgruppe (12- bis 49-Jährige) – alles Senderrekorde. "Auch in den Foren gab es nur ein Thema, das Thema Thiem. In dieser Form gab’s das noch nie. Man merkte, dass auch Leute dabei waren, die mit Tennis bislang nie etwas zu tun gehabt haben", sagt Ex-Profi Alexander Antonitsch, der auch Herausgeber der Internet-Plattform tennisnet.com ist. "Dort waren auch mehr als eine Million am Sonntag online."
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Warum zieht Thiem so gut?
Nicht nur durch seine Erfolge. In erster Linie ist es seine attraktive Spielweise, seine Rückhand zählt zu den drei attraktivsten der Welt neben jener von Federer und Stan Wawrinka. "Er spielt einfach geil", sagt Antonitsch. Früher schauten die Fans einem Thomas Muster zu, weil er das größte Kämpferherz in sich getragen hatte, jetzt zieht Thiem "als technisch bester Österreicher der Geschichte" (Bresnik).
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Warum ist Thiem dermaßen in Hochform?
Thiem ist technisch vielleicht sogar der weltbeste Spieler. Bei den Australian Open hatte es bislang nicht so gut geklappt. Ein Grund war, dass Thiem in der Vorbereitung oft krank war. Unter Bresnik bereitete sich Thiem in Teneriffa vor, kurz vor Weihnachten flog er nach Hause, um schon zumeist am 25. Dezember weiterzufliegen, im Vorjahr und 2018 machte er beim Turnier in Doha Zwischenstation. Da Thiem oft nach langen Flügen krank wird, plante man anders. Thiem bereitete sich in Miami vor und flog schon am 20. Dezember direkt nach Australien, auch um sich länger auf die Bedingungen einzustellen.
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Warum klappte es mit Thomas Muster als Coach nicht?
Dominic Thiem hat mit 26 mittlerweile längst seine eigene Persönlichkeit, er trennte sich nach vielen Jahren von seinem Trainer und Manager Günter Bresnik und tat nun Gleiches mit Muster – er hat wesentlich mehr Eigenverantwortung übernommen. "Es hat einfach nicht gepasst", sagt der Lichtenwörther. Wolfgang Thiem geht ins Detail: "Dominic ist reif genug, dass er nach zwei Wochen sagt, es passt nicht. Für mich ist das Wichtigste, dass der Coach versteht, was der Spieler braucht und nicht, dass der Coach eine Kopie von sich selbst machen will."
Muster wollte zu viel, ließ aber anklingen, dass sich zu viele Leute im Umfeld einmischten, auch Trainer Nicolás Massú war mit dem Experiment Muster nicht einverstanden. Im Februar des Vorjahres kam der Chilene ausgerechnet über Vermittlung von Bresnik zu Thiem, seit April ist die (erfolgreiche) Zusammenarbeit offiziell. Das Experiment Muster bei einem so wichtigen Turnier auszutesten, war keine gute Idee. "Das war vielleicht nicht optimal", gab Herwig Straka, Manager von Thiem und Muster, zu.
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Wann sieht man Thiem in Österreich?
Vielleicht sieht man ihn beim Daviscup in Graz gegen Uruguay (6./7. März), sicher aber in Kitzbühel (27. Juni) und Wien (26. Oktober).
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