Tsitsipas/Djokovic: Duell der Gegensätze im Finale der Australian Open

Tsitsipas/Djokovic: Duell der Gegensätze im Finale der Australian Open
Stefanos Tsitsipas kann am Sonntag mit dem Finale der Australian Open den ersten Grand-Slam-Titel gewinnen, Novak Djokovic für Rekorde sorgen.

Als Novak Djokovic 2008 zum ersten Mal im Finale der Australian Open stand, führte sein morgiger Endspielgegner Stefanos Tsitsipas noch seine Schultaschen spazieren. Wie ein Schulbub sieht der 24-jährige Grieche auch im Vergleich zum Serben aus, was die Grand-Slam-Statistik betrifft:

Tsitsipas kann am Sonntag sein erstes Major gewinnen, während der 35-jährige Djokovic mit einem 22. Triumph zu Leader Rafael Nadal aufschließen würde. In Melbourne ist der Serbe, der alle seine Australian-Open-Finalspiele, in die er eingezogen ist, gewinnen konnte, ohnehin mit neun Triumphen längst die Nummer 1.

Am Freitag beantwortete er beim 7:5-6:1-6:2-Sieg über US-Mann Tommy Paul (USA) alle Fragen zu seiner Form. Aber auch Tsitsipas konnte beim 7:6-6:4-6:7-6:3-Sieg über den Russen Karen Chatschanow eine glanzvolle Halbfinal-Arbeit abliefern.

Eines verbindet aber Djokovic und Tsitsipas: Der Sieger löst Spaniens Jungstar Carlos Alcaraz als Nummer 1 der Welt ab.

Der Herausforderer

Tsitsipas/Djokovic: Duell der Gegensätze im Finale der Australian Open

Stefanos Tsitsipas will den ersten Grand-Slam-Titel

So sehen Helden aus: Beim Vier-Satz-Erfolg über Karen Chatschanow wackelte Stefanos Tsitsipas nur kurz, als er nach Führung den dritten Satz abgab. Beim 24-Jährigen definiert sich viel über seine griechische Heimat, auch wenn diese bislang wenig erfolgsverwöhnt war in seinem Metier.

Heimat

Seit Tennis im Profi-Sport verankert ist, war Griechenland vor allem im Männer-Tennis ähnlich erfolgreich wie im Skifliegen.  Bevor Tsitsipas auftauchte,  war ein wohl nicht einmal daheim berühmter Konstantinos Economidis der beste Spieler in der  ATP-Weltrangliste  (2007 Nummer 112). Kein Wunder, dass Tsitsipas nicht nur aufgrund seines Erscheinungsbildes  und seines attraktiven Spiels  in der Heimat ein Volksheld ist. 

Jedoch ist es nicht so, dass in der Tennisszene kein Griechisch verstanden wird. Tsitsipas nannte  nach seinem Sieg über Chatschanow den Zyprer Marcos Baghdatis, der 2006 im Finale von Melbourne stand, als Vorbild. 

Zahlreiche ehemalige Weltklassespieler sind griechischer Abstammung. Die Eltern des US-Superstars Pete Sampras kommen  aus Griechenland. Und Mark Philippoussis, ehemals die Nummer acht der Welt, ist ebenso griechischer Abstammung. Kein Wunder, dass sich Tsitsipas den heute 46-Jährigen ins Team holte. Und trainiert wird in Nizza bei einem der besten Trainer weltweit. Im  Franzosen Patrick Mouratoglou fließt  ebenso blau-weißes Blut (Nationalfarben Griechenlands).

Heimvorteil

Dieser Tage hat Tsitsipas sowieso „Heimspiele“:  Melbourne ist  die drittgrößte griechische Stadt weltweit –  hinter  Athen und Thessaloniki. Bis zu 300.000 Menschen griechischer Abstammung leben in der Metropole.

Erfolge  

Tsitsipas steht zum zweiten Mal nach den French Open 2021 in einem Grand-Slam-Finale. Mit seinem insgesamt zehnten Turniersieg  wäre er der  29. Weltranglisten-Erste  seit Einführung des ATP-Rankings (1973). Bei einer Niederlage gegen Djokovic würde er sein Karriere-High (Platz drei) einstellen.

Aufreger

Die Beliebtheit im eigenen Lande erfuhr  nur einen Dämpfer, als er sich  2021 kritisch zur Corona-Impfung äußerte und dafür von der  Regierung abgewatscht wurde. „Niemand kann  mich zwingen,  einen Impfstoff  zu bekommen“, sagte Tsitsipas, der vor allem Jugendlichen abriet, sich den Stich geben zu lassen. Damals wollte er auch dem ungeimpften Novak Djokovic beistehen, mittlerweile ist er selbst geimpft.

2021 bekam er nach übertrieben langen  Toilettenpausen  den Namen „Pipipas“ verpasst. Bald darauf wurden die Pausen  reglementiert.

Der Favorit

Tsitsipas/Djokovic: Duell der Gegensätze im Finale der Australian Open

Novak Djokovic will seinen 22. Grand-Slam-Titel holen

So sehen Seriensieger aus: Beim Drei-Satz-Erfolg über US-Überraschung Tommy Paul brachte sich Novak Djokovic im ersten Satz nur selbst aus dem Konzept. Nun hat er beste Karten, auch sein zehntes Endspiel in Melbourne zu gewinnen. Vielen gefällt es, vielen nicht. Keiner polarisiert wie der Serbe.
 
Heimat 

Jugoslawien und seine Nationalstaaten brachten auch nach dem Zerfall große Spieler  heraus. Bei  Frauen (Monica Seles) und auch bei den Männern. Einen davon schnappte sich Djokovic als Trainer – der Kroate Goran Ivanisevic, 2001 Wimbledon-Sieger, macht dem 35-Jährigen Beine. 

Was die internationale Beliebtheit betrifft, ist  Djokovics serbische  Heimat nicht unbedingt ein Vorteil. „Viele haben leider noch das Ostblock-Denken in ihren Köpfen. Das ist schade“,  sagte sein ehemaliger Fitnesstrainer Gebhard Gritsch in einem KURIER-Interview.

In Serbien selbst ist Djokovic ein Nationalheld, der schon zum Politikum wurde. Als man den ungeimpften Rekordsieger im Vorjahr wegen nicht erfüllter Einreisebestimmungen  aus Australien auswies, legte sich Serbiens Präsident Aleksandar Vučić mit der australischen Regierung an. Wenige Wochen später lud er den Tennis-Star zum Empfang und bedankte sich bei ihm, „dass er so für sein Land gekämpft hat“.

Heimvorteil

Kein Wunder, dass im Vorjahr viele Serben in Melbourne auf die Straße gingen, um  zwischen den Gerichtsverhandlungen Kundgebungen für ihr Idol abzuhalten. Nicht außergewöhnlich, dass heuer wieder serbische Fan-Flaggen im Melbourne Park gehisst werden. Fast 100.000 Menschen serbischer Abstammung leben in Australien, rund 30.000 im Bundesstaat Victoria mit der Hauptstadt Melbourne.

Erfolge

Djokovic kann am Sonntag zu Rafael Nadal aufschließen und sein 22. Major holen, in Australien hält er mit neun Triumphen den alleinigen Rekord. Zudem  beendete er   sieben Saisonen  auf Platz eins – das ist Rekord.  Keiner stand auch  so viele Wochen an der Spitze wie der Serbe (373).

Aufreger

Das Hickhack 2022 mit der Ausweisung hat Djokovic  nicht nur Feinde gebracht.  Aber wenn sich Vater Srdjan mit Fans zeigt, die die russische Flagge schwingen und wenn er selbst auf dem Platz  nicht immer Vorzeigeprofi ist, hebt dies nicht seine Beliebtheit. Dies tut aber sein soziales Engagement, Benefiz-Projekte gehen auf sein Konto. Sein Humor auf der Tour wird ebenso geschätzt.

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