So sehen Helden aus: Beim Vier-Satz-Erfolg über Karen Chatschanow wackelte Stefanos Tsitsipas nur kurz, als er nach Führung den dritten Satz abgab. Beim 24-Jährigen definiert sich viel über seine griechische Heimat, auch wenn diese bislang wenig erfolgsverwöhnt war in seinem Metier.
Heimat
Seit Tennis im Profi-Sport verankert ist, war Griechenland vor allem im Männer-Tennis ähnlich erfolgreich wie im Skifliegen. Bevor Tsitsipas auftauchte, war ein wohl nicht einmal daheim berühmter Konstantinos Economidis der beste Spieler in der ATP-Weltrangliste (2007 Nummer 112). Kein Wunder, dass Tsitsipas nicht nur aufgrund seines Erscheinungsbildes und seines attraktiven Spiels in der Heimat ein Volksheld ist.
Jedoch ist es nicht so, dass in der Tennisszene kein Griechisch verstanden wird. Tsitsipas nannte nach seinem Sieg über Chatschanow den Zyprer Marcos Baghdatis, der 2006 im Finale von Melbourne stand, als Vorbild.
Zahlreiche ehemalige Weltklassespieler sind griechischer Abstammung. Die Eltern des US-Superstars Pete Sampras kommen aus Griechenland. Und Mark Philippoussis, ehemals die Nummer acht der Welt, ist ebenso griechischer Abstammung. Kein Wunder, dass sich Tsitsipas den heute 46-Jährigen ins Team holte. Und trainiert wird in Nizza bei einem der besten Trainer weltweit. Im Franzosen Patrick Mouratoglou fließt ebenso blau-weißes Blut (Nationalfarben Griechenlands).
Heimvorteil
Dieser Tage hat Tsitsipas sowieso „Heimspiele“: Melbourne ist die drittgrößte griechische Stadt weltweit – hinter Athen und Thessaloniki. Bis zu 300.000 Menschen griechischer Abstammung leben in der Metropole.
Erfolge
Tsitsipas steht zum zweiten Mal nach den French Open 2021 in einem Grand-Slam-Finale. Mit seinem insgesamt zehnten Turniersieg wäre er der 29. Weltranglisten-Erste seit Einführung des ATP-Rankings (1973). Bei einer Niederlage gegen Djokovic würde er sein Karriere-High (Platz drei) einstellen.
Aufreger
Die Beliebtheit im eigenen Lande erfuhr nur einen Dämpfer, als er sich 2021 kritisch zur Corona-Impfung äußerte und dafür von der Regierung abgewatscht wurde. „Niemand kann mich zwingen, einen Impfstoff zu bekommen“, sagte Tsitsipas, der vor allem Jugendlichen abriet, sich den Stich geben zu lassen. Damals wollte er auch dem ungeimpften Novak Djokovic beistehen, mittlerweile ist er selbst geimpft.
2021 bekam er nach übertrieben langen Toilettenpausen den Namen „Pipipas“ verpasst. Bald darauf wurden die Pausen reglementiert.
So sehen Seriensieger aus: Beim Drei-Satz-Erfolg über US-Überraschung Tommy Paul brachte sich Novak Djokovic im ersten Satz nur selbst aus dem Konzept. Nun hat er beste Karten, auch sein zehntes Endspiel in Melbourne zu gewinnen. Vielen gefällt es, vielen nicht. Keiner polarisiert wie der Serbe.
Heimat
Jugoslawien und seine Nationalstaaten brachten auch nach dem Zerfall große Spieler heraus. Bei Frauen (Monica Seles) und auch bei den Männern. Einen davon schnappte sich Djokovic als Trainer – der Kroate Goran Ivanisevic, 2001 Wimbledon-Sieger, macht dem 35-Jährigen Beine.
Was die internationale Beliebtheit betrifft, ist Djokovics serbische Heimat nicht unbedingt ein Vorteil. „Viele haben leider noch das Ostblock-Denken in ihren Köpfen. Das ist schade“, sagte sein ehemaliger Fitnesstrainer Gebhard Gritsch in einem KURIER-Interview.
In Serbien selbst ist Djokovic ein Nationalheld, der schon zum Politikum wurde. Als man den ungeimpften Rekordsieger im Vorjahr wegen nicht erfüllter Einreisebestimmungen aus Australien auswies, legte sich Serbiens Präsident Aleksandar Vučić mit der australischen Regierung an. Wenige Wochen später lud er den Tennis-Star zum Empfang und bedankte sich bei ihm, „dass er so für sein Land gekämpft hat“.
Heimvorteil
Kein Wunder, dass im Vorjahr viele Serben in Melbourne auf die Straße gingen, um zwischen den Gerichtsverhandlungen Kundgebungen für ihr Idol abzuhalten. Nicht außergewöhnlich, dass heuer wieder serbische Fan-Flaggen im Melbourne Park gehisst werden. Fast 100.000 Menschen serbischer Abstammung leben in Australien, rund 30.000 im Bundesstaat Victoria mit der Hauptstadt Melbourne.
Erfolge
Djokovic kann am Sonntag zu Rafael Nadal aufschließen und sein 22. Major holen, in Australien hält er mit neun Triumphen den alleinigen Rekord. Zudem beendete er sieben Saisonen auf Platz eins – das ist Rekord. Keiner stand auch so viele Wochen an der Spitze wie der Serbe (373).
Aufreger
Das Hickhack 2022 mit der Ausweisung hat Djokovic nicht nur Feinde gebracht. Aber wenn sich Vater Srdjan mit Fans zeigt, die die russische Flagge schwingen und wenn er selbst auf dem Platz nicht immer Vorzeigeprofi ist, hebt dies nicht seine Beliebtheit. Dies tut aber sein soziales Engagement, Benefiz-Projekte gehen auf sein Konto. Sein Humor auf der Tour wird ebenso geschätzt.
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