Comeback-Pleite in Belgrad: Thiems Seuchenjahr und seine Folgen

302 Tage nach seinem letzten ATP-Match präsentierte sich Dominic Thiem wieder auf der Tour, aber noch lange nicht so richtig auf Touren. Der 28-Jährige sammelte in Belgrad bei den Serbia Open gegen den Australier John Millman beim 3:6, 6:3, 4:6 insgesamt 152 Wettkampf-Minuten. Nach dem Aus kann er sich nun wieder der Trainingsarbeit widmen.
Die aktuelle Nummer 54 der Weltrangliste befindet sich bei seinem Comeback-Bestreben in einem echten Dilemma. Weil er dringend so viele Spiele wie möglich benötigt, aufgrund seiner fehlenden Konstanz aber sowohl in Marbella als auch jetzt in Belgrad nicht über die erste Runde hinauskam. Immerhin lieferte er sich mit Millman einen interessanten Kampf mit Licht und Schatten. In Ansätzen zeigte er Schläge wie zu besten Zeiten. Am Ende des entscheidenden dritten Satzes beging Thiem aber unter Druck zu viele Fehler. Auch ein Lernprozess auf dem Weg zurück.
Sieger Millman streute Thiem dennoch Rosen: "Schön, dass Dominic wieder zurück ist. Das ist einer meiner größeren Siege. Wenn er fitter und fitter wird, dann wird es für mich schon wieder sehr schwer."
Wie geht es nun mit Dominic Thiem weiter, was kann man von ihm in den kommenden Monaten tatsächlich erwarten? Hier der Versuch, Antworten zu liefern.
- Welche Ziele hat Thiem?
2023 möchte er wieder Titel gewinnen, 2022 dient der Vorbereitung darauf. Thiem nimmt sich zwölf Monate Zeit für sein Herantasten an die Weltspitze.
- Kann er bis zu den French Open (Start am 22. Mai) wieder in Form sein?
Nein. Dafür ist einerseits die Zeit zu kurz, andererseits ist die Lücke zwischen ihm und den Top-Spielern aktuell viel zu groß, um in Paris ernsthaft ein Wörtchen mitreden zu können. Thiem wird ungesetzt sein, daher droht in der ersten Runde schon ein Kaliber wie Rafael Nadal. In Paris geht es in erster Linie darum, Grand-Slam-Luft zu inhalieren, das Gefühl für das große Ganze zu bekommen. Bis dahin "möchte ich jede Woche ein Turnier spielen", so der Thiem’sche Plan.
- Was braucht es, um wieder so richtig in Schwung zu kommen?
Spiele, Spiele, Spiele. Und die nicht nur in der Simulation des Trainings, sondern vor allem auf Wettkampf-Niveau. Daher möchte Thiem die Sandplatz-Saison absolvieren und an den kommenden Turnieren in Madrid und Rom teilnehmen.
Darüber hinaus braucht es Geduld, viel Geduld, weil Rückschläge wie nun gegen Millman vorprogrammiert sind. Das lädierte Handgelenk muss halten und ein schmerzfreies Arbeiten garantieren. Eine Corona-Erkrankung kam Thiem zuletzt nach dem Auftritt in Marbella in die Quere und verhinderte sein Antreten in Marokko.

Bleibt der Österreicher gesundheitlich unversehrt, gewinnt er an Rhythmus und vor allem mental an Vertrauen in seinen Körper, sein Spiel und seine Qualität, die nach wie vor in ihm schlummert. Thiem befindet sich in einer Phase, wo Körper und Geist besonders auf dem Prüfstand stehen.
- Wie lange könnte Thiems steiniger Weg werden
Österreichs Tennis-Legende Thomas Muster schätzte schon einmal im KURIER die Zeit des Comebacks auf rund ein Jahr ein. Auch er glaubt, dass Thiem im Jahr 2023 wieder fit genug sein wird, um Turniere zu gewinnen.
- Kommt Thiem die Sandplatz-Saison zugute?
Ja. Selbst flotte Sandplätze lassen eben ein langsameres Spiel als auf Hartplätzen zu, weshalb es zu mehr Ballwechseln und hart umkämpften Punkten kommt. Genau, was Thiem in seiner Situation dringend nötig hat. Das Spiel gegen Millman stellte dies unter Beweis. Lange Rallyes, die Sicherheit in die Schläge brachten, enge Situationen, die die mentale Stärke herausforderten wie bei 3:4 und 15:40 im dritten Satz, als er seinen Aufschlag doch noch durchbrachte. Umgekehrt verjuxte er die folgenden Games. Thiem haderte mit sich und ballte die Faust der Freude bei Winnerschlägen.
Szenen, die man bei ihm noch länger sehen wird.
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