Schafft Dominic Thiem den Weg zurück in die Tennis-Weltspitze?

TENNIS-ATP-SERBIA
Thiems Comeback auf der ATP-Tour missglückte. Findet Österreichs Tennis-Ass noch einmal zu alter Stärke?

301 Tage nach seinem bisher letzten Einsatz auf der ATP-Tour ist das Comeback von Dominic Thiem missglückt. Der 28-jährige Niederösterreicher und US-Open-Sieger 2020 musste sich beim "Serbia Open" in Belgrad dem Australier John Millman, der im Ranking auf Platz 80 liegt, nach hartem Kampf und 2:33 Stunden geschlagen geben.

Thiem hatte schon vor dem Match in Belgrad erklärt, dass er bis zu den French Open jede Woche spielen möchte. Angekündigt ist ein Antreten mit Wild Card kommende Woche in Estoril sowie seit Dienstag auch in Genf (ab 14.5.) in der Woche unmittelbar vor Paris. 

Dem Niederösterreicher droht jedenfalls in der Weltrangliste ein weiterer Rückfall, auch die Top 100 könnten bald Geschichte sein. Und alle Tennis-Fans fragen sich: Schafft Thiem noch einmal den Weg zurück in die Top 5 der Weltrangliste? Auch der KURIER stellte sich der Debatte. ein Pro und Contra, ob mit dem 28-Jährigen in Zukunft noch zu rechnen sein wird.

PRO

Schon als Dominic Thiem im Bubenalter Bälle über die Courts prügelte, war zu erahnen, dass da ein Großer heranreifen würde. Er wusste, dass sein Riesentalent nur in einer Kombination mit unbändigem Ehrgeiz zum Erfolg führen kann. Bereits in Thiems Knabenalter sagte sein langjähriger Trainer Günter Bresnik: "Merkt euch den Burschen!" Nie fragte er, wann ein Training vorbei ist, wie viele andere.

Thiem kannte nie etwas anderes, als alles zu geben. Der Lohn war Platz drei in der Weltrangliste, die größte Belohnung aber wohl der Grand-Slam-Titel bei den US Open 2020. Die größte Errungenschaft aber, dass er von 2016 bis 2021 ständig in den Top Ten der Weltrangliste zu finden war, was nicht einmal der große Djokovic schaffte. Kann dies ohne Ehrgeiz klappen?

Wie so manche Große fiel auch Thiem nach den großen Erfolgen schon vor der Handgelenksverletzung in ein Loch. Aber selbst Thomas Muster musste diese Phase, in der Tennis plötzlich zur Nebensache wurde, 1991 überstehen. Der Rest ist Geschichte, der Steirer war 1992 top da und 1996 die Nummer eins der Welt. 

Auch Thiem zeigt wieder Lust am Tennis, wird wieder hart arbeiten, um dorthin zurückzukehren, wo er schon einmal war. Er hat alle Großen schon mehrmals besiegt und gegen seine Generationskollegen Medwedew, Zverev und Tsitsipas allesamt eine positive Bilanz. Thiem braucht sicher Geduld. Aber er darf sich denken: Tennis ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nicht. Vor allem, wenn man es so gut beherrscht wie er. 

Von Harald Ottawa

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Contra

Das liebe Geld ist sicherlich kein Antrieb mehr für Thiem. 28.863.216 US-Dollar hat er in seiner Karriere allein an Preisgeld verdient, rechnet man mit – sehr hoch – 30 Prozent an Steuern, die er vor Ort zahlen muss, hat er noch immer 20 Millionen verdient. Ohne Sponsoren. Thiem hat ausgesorgt.

Als ehemalige Nr. 3 der Welt will man aber nicht sang- und klanglos abtreten. Aber nach so einer langen Pause braucht es Wettkampfhärte und Geduld. Die hat er momentan aber nicht. Seine Körpersprache ist nicht positiv. Die Faust ballt er nur, um sich zu ärgern und nicht, um sich anzufeuern. Er hadert. Er wirft im Finish die Nerven weg. Er beendet das Spiel mit einem Doppelfehler.

Thiem hatte stets Talent, eine geniale Vorhand und Top-Physis – und doch gelang ihm erst 2020 der große Coup. Nadal und Federer nicht am Start, Djokovic disqualifiziert – und dennoch brauchte es einen nervelnden Zverev, um die US Open doch noch zu gewinnen. Davor war er auf dem Weg zum Sieg bei einem großen Turnier stets gestolpert. Er schlug regelmäßig den einen oder anderen Top-3-Spieler – am Ende kam aber nur ein Grand-Slam-Erfolg heraus.  

Jetzt muss er sich mit seinem Schlagarm herumschlagen, seine geniale Hand ist mit Vorsicht zu verwenden. Jedes leichte Ziehen kann als Vorbote einer schweren Verletzung gedeutet werden. Um ganz an die Spitze zu kommen, braucht es mehr als Ehrgeiz und Talent. Es braucht auch Härte und gute Nerven – und das war schon vor der Verletzung nicht seine Stärke.

Von Günther Pavlovics

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