Becker über Thiem: "Ich nenne ihn Houdini des Tennissports"

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Reaktionen zum mitreißenden US-Open-Endspiel zwischen Dominic Thiem und Alexander Zverev in New York.

"Ich kann es noch nicht wirklich glauben. Es war ein völlig verrücktes Match, völlig verrückter Tag auch", sagte Dominic Thiem nach einem an Dramatik nicht zu überbietenden US-Open-Finale, mit dem er österreichische, aber auch Welt-Sportgeschichte geschrieben hatte.

Historisches Comeback

Erst zum fünften Mal in der Open Era (seit 1968) und erstmals seit 2004 ist es am Sonntag passiert, dass ein Tennisspieler ein Grand-Slam-Finale nach einem 0:2-Satzrückstand noch drehen konnte. In Paris haben dies Größen wie Björn Borg (SWE/1974), Ivan Lendl (CZE/1984) und Andre Agassi (USA/1999) hinbekommen. Beim US Open gelang das in der Open Era, seitdem auch Profispieler zugelassen werden, davor niemand.

In der gesamten Historie der seit 1881 gespielten US Open ist ein solcher Coup das erste Mal seit 70 Jahren und das erst insgesamt sechste Mal realisiert worden. Vor 1949 hatte es auch in den Endspielen 1912, 1922, 1940 und 1947 Sieger nach 0:2-Satzrückständen gegeben. Thiem wurde übrigens laut ATP-Angaben zum 55. Grand-Slam-Champion der Open Era sowie der 150. der Major-Geschichte bei den Herren.

Sein Triumph in New York hat den Niederösterreicher in der Tennis-Weltrangliste mit 1.990 Zusatzpunkten bis auf 725 Zähler an den zweitplatzierten Rafael Nadal (ESP) herangebracht. Auch der führende Novak Djokovic (SRB) ist nur noch 1.735 Punkte vom Österreicher entfernt. Der Vorsprung Thiems auf den viertplatzierten Roger Federer (SUI) beträgt nun 2.495 Zähler. 

"Am Ende war es einfach nur noch Drama. Aber mit meiner ganzen Karriere, so wie alles gelaufen ist, hat der erste ganz große Titel so sein müssen", jubelte ein überglücklicher Thiem, der auch nach dem kräfteraubenden Match zu Späßen aufgelegt war.

Via Fanwall im leeren Arthur Ashe Stadium sagte er lachend zu seinem aus Österreich weilenden Bruder Moritz: "Leben noch alle zu Hause, hat es die ganze Familie gut überstanden?"

So lauteten die Reaktionen anderer:

Alexander Zverev (der im Finish ebenfalls Krämpfe hatte): "Wir sind beide physisch starke Spieler, aber man sieht, dass dann trotzdem die Nerven eine Rolle spielen. Man möchte einfach nur gewinnen, ich war kurz davor, ich war zwei Punkte davon entfernt. Aber Glückwunsch an Dominic. Er hat sich diesen Grand-Slam-Titel extrem verdient, wahrscheinlich mehr als ich. Deswegen ist es schon irgendwie auch fair, dass er gewonnen hat."

Bresnik: "Es war eine mentale Meisterleistung"

Herwig Straka (Thiem-Manager): "Die Dramaturgie war einfach ein Wahnsinn. Es war ein episches Finale, das muss man echt sagen - es geht in die Geschichtsbücher ein."

Nicolas Massu (Thiem-Trainer): "Wir müssen diesen Moment jetzt genießen. Das Match heute war wirklich tough, wie ein Drama, wie ein Film bis zum Ende."

Günter Bresnik (Thiems Ex-Coach): "Ich hätte gesagt, dass das Dominic als klarer Favorit und besserer Spieler wesentlich schneller machen würde. Deshalb war es im Endeffekt entscheidend, wie Dominic mit einem 0:2-Satzrückstand, den wirklich keiner erwartet hat, umgegangen ist. Und das war für mich wieder tief beeindruckend. Das sind diese außergewöhnlichen Qualitäten, die Dominic einfach hat seit er ein Jugendlicher ist. Die Leistung war eines Champions würdig. Und ich hoffe, dass das jetzt endlich ein entsprechender Boost für die Zukunft sein wird, weil der wird sich nicht mit einem Grand-Slam-Titel zufriedengeben."

Boris Becker (Eurosport): "Dominic Thiem hat sich aus einer scheinbar unmöglichen Situation befreit. Ich nenne ihn Houdini, Houdini des Tennissports. 2:0 Sätze hinten, Break hinten, Zverev serviert bei 5:3 im fünften Satz zum Match. Und irgendwie schafft es der Österreicher dieses Match nicht zu verlieren. Den Mut nicht zu verlieren. So ist das im Sport, das Match nicht zu verlieren."

Karin Thiem (Mutter direkt zum Sohn via ServusTV): "Hallo Domi! Ich gratuliere, ich bin fix und fertig. Ich bin sprachlos. Das war Wahnsinn jetzt, ich hoffe, der Rest der Familie hat das auch überstanden. Es ist so schön, dass du dir deinen Traum fürs Leben erfüllt hast."

Wolfgang Thiem (Vater, Trainer direkt via ServusTV): "Kannst du dich noch erinnern, als wir vor drei Wochen mit dem Auto nach Deutschland gefahren sind, was du da gesagt hast? Genau das ist eingetreten. Wahnsinn. Ich bin riesig stolz auf dich, obwohl ich heute, zwei- drei Mal vor dem Fernseher aufgestanden bin, weil ich es nicht ausgehalten habe."

Novak Djokovic (Weltranglisten-Erster, bei Rom-Pressekonferenz und via Twitter): "Ich habe mir das Finale bis zum Ende des vierten Satzes angesehen. Zverev war die ersten beiden Sätze beeindruckend, Kompliment an ihn und auch an Dominic. Beide haben große Tennis-Qualitäten und können auf allen Belägen Titel und Grand Slams gewinnen. Unabhängig von der Rivalität zwischen den Beiden und dem großartigen Kampf, den sie sich geliefert haben, haben sie ein großes Herz gezeigt und viele Tennisspieler inspiriert. Sie haben demonstriert, was am meisten zählt, 'Liebe und Respekt füreinander'. Thiem hat den Titel wahrscheinlich mehr als jeder andere verdient. Ich weiß aus Erfahrung, dass der erste Grand-Slam-Erfolg eine große Erleichterung ist. Man fängt an, mehr an sich zu glauben und hat weniger Druck."

Rafael Nadal (Weltranglisten-Zweiter, bei Rom-Pressekonferenz): ""Es tut mir leid für Sascha, er war nah dran. Aber auch wenn er ein großes Finale gespielt hat, auf dem Weg dorthin war Dominic etwas besser, deshalb hat er es verdient. Sascha wird noch mehr Chancen in der Zukunft bekommen."

Barbara Schett (Ex-Spielerin, via Ö3): "Tennis ist eine Weltsportart, und ich weiß, wie schwierig es ist. Ich glaube, dass das für ihn der Start von etwas ganz, ganz Großem ist. Natürlich muss man viel opfern - egal, in welcher Sportart -, um an die Spitze zu kommen. Sie (die Familie, Anm.) hat immer zusammengehalten, jetzt haben sie die Bestätigung bekommen."

Alexander Antonitsch (Ex-Profi, Turnierdirektor Kitzbühel, via Ö3): "Der ist US-Open-Champion - das musst du zuerst einmal schnallen. Das ist definitiv nicht der letzte Grand-Slam-Titel vom Dominic. Die ganze Family - Oma, Opa, Tante - sind 'all in' gegangen. Und haben richtige Entscheidungen getroffen."

Hans Niessl (Sport-Austria-Präsident): ""Gratulation an Dominic Thiem zu seinem 1. Grand-Slam-Titel! Dass er das US-Open-Finale nach 0:2-Satzrückstand noch drehen konnte, war beeindruckend! Dank seiner Leistungen erfreut sich der Tennissport in Österreich steigender Beliebtheit. Es spielen wieder mehr Kinder, Jugendliche und Erwachsene Tennis. Thiem ist eines der ganz großen Aushängeschilder der heimischen Sportkultur!"

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