Die Frau behauptete im Prozess außerdem, Jérôme Boateng hätte sie dazu bringen wollen, nicht auszusagen – etwa gegen Geld oder gegen die Aussicht auf mehr Zeit mit ihren Kindern, die seit Jahren beim Vater leben. Boateng bestreitet das.
Warum dauert das Verfahren so lange?
Zweimal endete ein Verfahren bereits mit einem (nicht rechtskräftigen) Schuldspruch für Boateng: 2021 verhängte das Amtsgericht München eine Strafe von 1,8 Millionen Euro (60 Tagessätze) gegen Boateng. Nach der Berufung von Boateng, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wurde der Fußballprofi in einem zweiten Verfahren vor dem Landgericht München 2022 zu 1,2 Millionen Euro (120 Tagessätze) verurteilt.
Obwohl er „billiger“ davongekommen wäre, war das zweite Urteil härter gewesen. Denn die Zahl der Tagessätze war nun höher. Ab 90 Tagessätzen gilt man in Deutschland als vorbestraft. Die Höhe der zu zahlenden Summe hingegen orientiert sich am Einkommen des Verurteilten, der offenbar zu diesem Zeitpunkt weniger Geld zur Verfügung hatte als zuvor. Gegen das Urteil legten Boateng und die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Im September hatte das Bayerische Oberste Landesgericht die Verurteilung wegen Verfahrensfehlern aufgehoben. „Der Angeklagte Boateng war schon endgültig verurteilt, bevor das Berufungsverfahren überhaupt begonnen hatte“, klagte Boatengs Anwalt damals. Das Verfahren sei unfair gewesen. Für Boateng gilt weiter die Unschuldsvermutung.
Warum ist das Interesse so groß?
Kommt es zu einer neuerlichen Verurteilung, könnte Boateng abermals mit einer geringeren Summe davonkommen. Für den Prozess, der nun komplett neu aufgerollt werden muss, sind am Landgericht München I sechs Prozesstage bis 19. Juli anberaumt. Ein Dutzend Fotografen und mindestens doppelt so viele Berichterstatter werden im Gerichtssaal sein. Die vorsitzende Richterin hat wegen des großen Interesses an dem Fall eine spezielle Sicherheitsverfügung erlassen.
Das Interesse wurde insbesondere auch in den vergangenen Monaten größer, da einerseits der FC Bayern eine neuerliche Verpflichtung Boatengs überlegte (und schließlich nach Fanprotesten wieder verwarf) und andererseits, weil ein Podcast des Spiegel für Aufsehen sorgte, der einen anderen Fall einer Ex-Freundin Boatengs wieder aufrollte: den Fall von Katarzyna Lenhardt, die dem Fußballer ebenfalls Gewalt vorwarf. In diesem Fall wird immer noch ermittelt. Lenhardt kann allerdings nicht mehr befragt werden, sie hat 2021 Suizid begangen. Erstmals wurde in der Öffentlichkeit der Umgang mit Spielerfrauen größer thematisiert. Durch aufwendige Recherchen und Berichterstattung hat sich das Image Boatengs in der Öffentlichkeit vom Vorzeigesportler zum möglichen Täter gewandelt.
Was sagt Boatengs neuer Arbeitgeber LASK zu den Vorwürfen?
Diese Wahrnehmung dürfe den LASK aber nicht beeindruckt haben. Der KURIER wollte von der Vereinsführung wissen, ob bei der Bestellung Boatengs das anhängige Verfahren in München bzw die Ermittlungen, die es gegen ihn auch im Fall Lenhardt gibt, eine Rolle gespielt haben, ob man in Linz vom medialen Echo überrascht war, ob man den Transfer vorab mit Hauptsponsoren abgesprochen hat, ob Fußballprofis nach Ansicht des LASK ausschließlich an ihren sportlichen Erfolgen zu messen seien oder auch darüber hinaus Vorbilder darstellen und ob die Trainingszeiten an mögliche Abwesenheiten des neuen LASK-Verteidigers angepasst werden müssen.
Auf die Fragen wollte man bei dem Bundesligaklub nicht eingehen. Stattdessen gab das Presseteam an, dass es an der Verpflichtung Kritik gegeben habe, „die zum Teil in Gewaltfantasien gegen Jérôme ausgeartet“ sei. Man werde „kein laufendes Verfahren kommentieren, denn jetzt hat das Gericht in München das Wort“. „Den Vorverurteilungen“ schließe sich der LASK nicht an.
Kommentare