Wenn der ORF ein Spiel der Fußball-Nationalmannschaft der Herren überträgt, dann sieht das seit vielen Jahren so aus: Rainer Pariasek moderiert und übergibt an den Kommentator im Stadion, der Thomas König, Oliver Polzer oder Boris Kastner-Jirka heißt. Die Interviews führt Andreas Felber. Das war auch zuletzt im Juni so, als das ÖFB-Team gegen Belgien ein 1:1 erkämpfte.
Also alles wie immer im ORF-Sport? Scheint so, und das, obwohl es seit Kurzem einen neuen Chef für die Sportabteilung gibt, die über 100 Mitarbeiter zählt und aufgrund vieler Dienstreisen und teurer Übertragungsrechte das budgetstärkste Ressort ist.
Der neue Chef hört auf den Namen Hannes Aigelsreiter, war zuvor Radio-Chefredakteur und übersiedelte mit 1. März aus dem Funkhaus auf den Küniglberg in die ORF-Zentrale. Schenkt man diversen Insidern Glauben, ist er dort aber selten anzutreffen. Dazu passen würde das Bild, das man als Konsument von außen haben muss. „Es hat sich gar nichts verändert“, versichert einer der Redakteure. Ob Aigelsreiter deshalb kein Interview geben will? Der KURIER hätte sich für seine Pläne interessiert, fragte jedoch zweimal vergeblich an.
"Ich habe nachweislich mit fast allen Mitarbeitern Einzelgespräche geführt. Mein Führungsstil ist hart, fair aber unmissverständlich.“
von Hannes Aigelsreiter
Über die Kritik an mangelnder Kommunikation
Der Knalleffekt
Stille. Monatelang. Und dann ein lauter Knall – wenn auch nur intern, ausgelöst durch ein E-Mail des Sportchefs an viele im Haus. „Liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund von schwerwiegenden disziplinären Verfehlungen (...) habe ich Robert Waleczka von seinen bisherigen Aufgabengebieten enthoben“, schreibt Aigelsreiter.
Robert Waleczka war als Stellvertreter des ehemaligen Sportchefs Hans Peter Trost für diverse Planungen verantwortlich. Robert Waleczka ist jener Mann, der über viele Jahre entschieden hat, dass etwa Rainer Pariasek moderieren oder Thomas König kommentieren darf. Robert Waleczka, das ist die Graue Eminenz der ORF-Sportredaktion. Er gilt als Anführer jenes Teils einer gespaltenen Belegschaft, die keine Veränderung wünscht.
Nach ebendieser sehnen sich jedoch intern einige andere – ebenso wie viele externe Beobachter.
Waleczka hat sich selbst um die Nachfolge von Hans Peter Trost beworben. Neben ihm zogen auch rund zehn weitere Bewerber den Kürzeren. Wie etwa Matthias Schrom (Ex-ZIB-Chef) oder der ehemalige Sky-Österreich-Chefredakteur Thomas Trukesitz, der neben Aigelsreiter zum Zweiervorschlag einer eigens eingesetzten Hearing-Kommission zählte und seit März als Pressechef von ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick fungiert.
Wie ernst gemeint das Bewerbungsverfahren war, darüber scheiden sich die Geister. Und wo man auch hinhört, die Geschichte rund um die Bestellung von Hannes Aigelsreiter klingt überall ident.
Der verhinderte Aufstieg
Fakt ist: Der Niederösterreicher hatte ursprünglich andere Ziele und strebte 2021 nach dem Aufstieg vom Radio-Chefredakteur zum Radio-Direktor. Den Posten erhielt allerdings Ingrid Thurnher. Was man sich im Zuge dessen erzählt: Aigelsreiter sei damals von Generaldirektor Roland Weißmann vertröstet worden, er könne sich bei Gelegenheit einen anderen Posten aussuchen.
Eine Gelegenheit, die sich ein Jahr später mit der Pensionierung von Sportchef Hans Peter Trost ergab. Damit diesmal nichts schiefgeht, soll Aigelsreiter politische – und freundschaftliche – Kontakte spielen haben lassen. Kanzler-Gattin Kathi Nehammer und ÖVP-Kommunikationschef Gerald Fleischmann sollen sich für ihn beim Generaldirektor starkgemacht haben.
Diese Nachrede lässt Aigelsreiter dann doch zum KURIER sprechen. „Das ist der größte anzunehmende Unsinn“, sagt er. „Ich war schon ein Grüner, Roter, Blauer und Gelber. Damit muss man leben. Aber ich verwehre mich gegen jede Form der politischen Zuordnung.“
Dass sich Aigelsreiter seiner Sache im Zuge der Bewerbung sicher war, darauf lassen allerdings ein paar Seiten Papier schließen, die dem KURIER vorliegen. Im Zuge des Verfahrens sollten die Bewerber auf Fragen der Belegschaft eingehen. Während sich andere mittels professioneller Videobotschaft an die Mitarbeiter der Sportredaktion wandten, übermittelte Aigelsreiter seine Antworten in liebloser, ja nahezu formloser schriftlicher Ausführung.
Streitpunkt Kommunikation
Das Level an Kommunikation ist Mitarbeitern ein Dorn im Auge. Aigelsreiter habe in den ersten Monaten durch Zurückhaltung und Abwesenheit geglänzt und obendrein gar keine Sportkompetenz, heißt es. „Wenn er mit den Mitarbeitern kommuniziert, dann per E-Mail“, berichtet ein Mitglied der Redaktion.
„Das entspricht nicht der Realität, wir hatten gleich zu Beginn ein Redakteurstreffen, ich habe nachweislich mit fast allen Mitarbeitern Einzelgespräche geführt und wir hatten zuletzt eine Videokonferenz“, widerspricht Aigelsreiter erneut und beschreibt seinen Führungsstil als „hart, fair aber unmissverständlich.“ Das sei in dieser Position notwendig.
Ein E-Mail war es jedenfalls, das die Ablöse von Robert Waleczka eingeleitet hat. Der Planungschef, der sich von Beginn an als Gegenspieler Aigelsreiters positioniert hat, klopfte stürmisch in die Tasten und schickte dem neuen Chef ein E-Mail, das nicht für diesen bestimmt gewesen war. „Harmlos“, beschreiben Insider, die es gelesen haben. Aigelsreiter spricht vom „Versuch der Weitergabe von Redaktions-Internas an Dritte“, von „Verunglimpfungen und Beschimpfungen“ seiner Person und begründet die Ablöse Waleczkas als Planungschef gegenüber der Redaktion – und auch dem KURIER – insgesamt mit „schwerwiegenden disziplinären Verfehlungen.“
Wie schwerwiegend das Schriftstück tatsächlich war, wird sich weisen. In einer neuen internen Aussendung ist der Ton plötzlich weitaus milder gewählt. Aigelsreiter schreibt, er würde Waleczka die Agenden lediglich „aus gegebenem Anlass“ entziehen.
Nach über vier Monaten im Amt hat Aigelsreiter mittlerweile erste Personalentscheidungengetroffen. „Nach einer Einarbeitungsphase“, heißt es in einer schriftlichen Mitteilung, wurden Martin Szerencsi und Veronika Dragon-Berger als Stellvertreter nominiert, Hans Hengst übernimmt die Planung von Waleczka, der zu all dem auf KURIER-Nachfrage nichts sagen will.
Was das für die Platzhirsche bei den großen Übertragungen bedeutet, wird sich zeigen. Am 12. September überträgt der ORF wieder ein Fußball-Länderspiel der Herren – live aus Schweden.
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