Wie Kletter-Star Schubert den Olymp besteigen will
Wenige Stunden vor dem Auftakt der Kletterbewerbe gelang es Jakob Schubert, dass seine Konkurrenten das erste Mal voller Ehrfurcht zu ihm aufschauen mussten. Im Abschlusstraining erklomm der Innsbrucker als einziger Athlet die Spitze der Steilwand und machte deutlich, dass der Olympiasieg im Klettern nur über ihn führen wird.
Dass Jakob Schubert das letzte Training für eine erste Machtdemonstration nützte, ist typisch für ihn. Einerseits gibt ihm dieser Durchstieg Sicherheit und Selbstvertrauen für den Ernstfall, andererseits hinterlässt ein spektakulärer Auftritt wie dieser gerade bei seinen jüngeren Gegnern großen Eindruck.
Nach dem Motto: Es sollen nur alle sehen und wissen, mit wem sie es ab heute im olympischen Kombi-Wettkampf zu tun haben: Nämlich mit keinem Geringeren als dem besten Sportkletterer der Gegenwart. Dem Rekordweltmeister. Mit Jakob Schubert, dem heißesten Anwärter auf die Goldmedaille.
Favoritenrolle
Die meisten Sportler würden die Favoritenrolle wohl unverzüglich von sich wegschieben, in die Defensive gehen und sich kleiner reden, als sie sind. Jakob Schubert hält nichts von solchen taktischen Spielchen und Zurückhaltung. Er duckt sich nicht weg, sondern er spricht das aus, was eh alle wissen: „Ich will in Paris Gold holen.“
Ohne Wenn und Aber.
Der Routinier kann auch plausibel erklären, weshalb er sein Ziel dermaßen klar und offensiv formuliert: „Wenn ich bereit bin, zu sagen, dass ich Gold holen will, dann bin ich auch überzeugt davon, dass ich das erreichen kann“, erklärt der 33-jährige Innsbrucker. „Wenn ich das aber nicht aussprechen kann, dann zweifle ich unterbewusst und glaube nicht an mich.“
Jakob Schubert setzt sich mit seiner forschen Herangehensweise einem enormen Druck und einer großen Fallhöhe aus. Aber wenn es einer beherrscht, am Tag X zur Hochform aufzulaufen, dann ist das der erfahrene Tiroler, der gerade bei Großereignissen regelmäßig seine Gewinnermentalität demonstriert.
Sechs WM-Goldmedaillen sprechen für sich – und für Schubert. „Mir ist es schon sehr oft gelungen, in Drucksituationen zu performen. Diese positiven Erlebnisse helfen mir enorm“, sagt der Olympiadritte von 2021.
Schon im Nachwuchs hatten sich alle Blicke und Hoffnungen auf Jakob Schubert gerichtet, inzwischen hat er die Favoritenrolle verinnerlicht und keine Probleme damit, im Fokus zu stehen. „Von mir sind schon in jungen Jahren Titel erwartet worden. Ja, das mag eine andere Bühne gewesen sein als Olympia, aber es hat mich trotzdem schon darauf vorbereitet, was jetzt kommt.“
Reifeprüfung
Und diese Olympischen Spiele in Paris sind vergleichsweise ein Kindergeburtstag gegen die ultimative Reifeprüfung, die Jakob Schubert 2018 abgelegt hatte: Bei der Weltmeisterschaft in seiner Heimatstadt Innsbruck.
Als sich alles nur um den Lokalmatador drehte, Hunderte Verwandte und Freunde im Publikum saßen – und Schubert dann die Nerven und die Konkurrenz im Griff hatte und zwei Mal Gold holte. „Ich kann dem Druck standhalten. Das ist eine meiner größten Stärken.“
Die erste und zugleich auch größte Hürde auf dem Weg zum Olympiasieg wartet mit der Qualifikation im Bouldern. Die erste der beiden Disziplinen, die im Kombi-Bewerb geklettert werden, ist nicht die wahre Domäne von Schubert.
„Die Quali ist für mich mental die größte Herausforderung“, gibt der zweifache Weltmeister in der Kombination zu. „Du willst ja als Favorit nicht gleich in der ersten Runde ausscheiden.“
Die Boulder-Qualifikation ist für Schubert nur der Anfang, am Mittwoch wartet dann die Vorrunde im Lead, seiner Paradedisziplin. Das Finale ist für Freitag angesetzt. Der Österreicher ist bereit, den Olymp zu erklimmen: „Es wurde lange genug geredet, jetzt wird es Zeit, dass wir klettern und performen.“
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