Darf man als Olympia-Journalistin Fan sein? Eine Gratwanderung

Darf man als Olympia-Journalistin Fan sein? Eine Gratwanderung
Jubel, Tränen, Gänsehaut - die Sommerspiele liefern die ganze Bandbreite an Emotionen. Wie geht man damit als Berichterstatterin vor Ort um? Eines muss immer gewahrt bleiben.
Karoline Krause-Sandner

Karoline Krause-Sandner

In der Pressezone wirft ein spanischer Journalist die Hände über den Kopf, als Tennisstar Carlos Alcaraz einen Punkt vergibt. Die französischen Reporter springen auf, als Léon Marchand zur nächsten Goldmedaille schwimmt.

Darf man als Journalist auch Fan sein? Darf man noch einmal kurz kleines Kind sein, wenn eine Sportgröße wie Serena Williams im selben Raum ist? Darf man in die private Chat-Gruppe Fotos aus Roland Garros schicken, weil man hier gerade Rafael Nadal beim Aufwärmen beobachtet? Darf man beeindruckt sein, wenn man Simone Biles in Aktion sieht?

Eines ist klar. Medien sollen neutral und objektiv berichten. Doch im Sport kommt etwas Entscheidendes dazu: Emotion. Sportjournalisten und -journalistinnen üben diesen Beruf meist aus, weil sie begeistert sind. Manche haben selbst mehr oder weniger erfolgreich Sport betrieben. Aber fast alle sind damit aufgewachsen, Sport live oder im TV zu konsumieren. Olympische Spiele waren da stets ein Highlight; die Athleten ihre Helden.

Dass Sportberichterstattung unterhaltsam und interessant bleibt, liegt oft auch daran, dass die jeweiligen Berichterstatter selbst mitfiebern – nicht unbedingt für diesen einen Athleten oder dieses eine Team, aber sie sind nicht immun gegen die Spannung und die Emotion, die Sportbewerbe bieten.

Das merkt man ganz besonders auch hier in Paris. So mancher Journalist merkt es selbst, wenn ihn gewisse Leistungen zu Tränen rühren oder wenn man zumindest ein bisschen beeindruckt ist, einem Weltstar gegenüber zu stehen.

Es ist nichts dabei, so lange keine „klebrige Nähe“ entsteht, wie es der Journalist Hans Leyendecker einmal in einem Text über Sportjournalismus genannt hat und damit Gefälligkeiten und Verhaberung meinte. Doch der Grat ist schmal. Man darf sich nicht instrumentalisieren oder korrumpieren lassen durch diese Emotionen. Ich habe den Sportjournalisten noch nicht gefunden, den alle Entscheidungen oder Leistungen kalt lassen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich dessen Geschichten lesen will.

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