Nach olympischer Geschlechter-Debatte: Der aussichtslose Boxkampf um Gerechtigkeit
Jiu Jitsu. Vergeblich hatten die Zwillingsschwestern Mirnesa und Mirneta Becirovic aus Pressbaum gehofft, dass diese von ihnen so dominierte asiatische Kampfkunst der waffenlosen Selbstverteidigung olympisch werde.
18 Monate nach Karriereende durfte sich eine der beiden zehnfachen Weltmeisterinnen doch bei Olympia bewähren. In völlig anderer Mission.
Mirneta Becirovic, 32, leitete sechs aufregende Wochen lang in Kooperation mit der französischen Exekutive in Lille, Lyon und auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle den österreichischen, im EU-Auftrag erfolgten Spezialeinsatz.
An dem waren unter Mirnetas Regie zwölf Beamte mit Sprengstoffspürhunden, zwölf Streifenpolizisten und zwei Entschärfungsexperten beteiligt. Das Fachwissen Letzterer musste glücklicherweise nicht ausgereizt werden.
„Auf dem Flughafen bildeten wir eine Dienstgruppe mit Kollegen aus Katar“, verrät die Rekordweltmeisterin, von französischer Sicherheitstechnik und Freundlichkeit schwärmend.
Trotz konfliktfreier Zusammenarbeit und dem Ausbleiben befürchteter Anschläge stand Kontingentkommandantin Mirneta Becirovic dermaßen unter Strom, dass sie sich nur einen einzigen Eventbesuch gönnte. Als sie ihren Polizeikollegen Alexander Horst und Julian Hörl beim Beachvolleyball vor’m Eiffelturm – erfolglos – die Daumen drückte.
Ihre karrenzierte, im Oktober Mutti werdende Schwester Mirnesa bekam daheim vorm Bild-Schirm ungleich mehr von den hochkarätigen Sportereignissen mit. Selbst fürs Fernsehen blieb Einsatzleiterin Mirneta B. vor Ort keine Zeit. Auch vom medial groß abgehandelten Geschlechterstreit um Boxerin Imane Khelif habe sie „nur ein bissel online “erfahren.
Für alle, die im Gegensatz Paris-Heimkehrerin Mirneta Becirovic „nur“ urlaubsbedingt Olympia-Aufreger versäumten, zur Info:
Die Algerierin Khelif erboxte Gold im Weltergewicht. Doch die ihre klar unterlegenen Gegnerinnen behaupten anklagend, dass sie in Wahrheit von einem Mann verprügelt worden seien. Von einem, dessen Testosteronwerte so hoch gewesen waren, dass man sie/ihn von der Frauen-Box-WM 2023 ausgeschlossen hatte.
Bei Olympia in Paris hingegen nahm man Geschlechtstests gar nicht erst vor. Durfte Khelif der Italienerin Angelina Carini (gab nach 46 Sekunden auf), der Ungarin Anna Hamori, der Thailänderin Suwampheng und im Finale der Chinesin Yang Liu Chi das Fürchten lehren.
Einerseits sollte es nie so weit kommen, dass eine für ihren Sport lebende Person wie Khelif Weinkrämpfe erleidet, weil sie in aller Öffentlichkeit wegen Zweifel an ihrem Geschlecht an den Pranger gestellt wird. Andererseits kann ein Match Mann vs. Frau – anders als in Leichtathletik, Skifahren oder Song-Contest – im Boxring lebensgefährlich sein.
Eine optimale Lösung gibt es nicht. Vielleicht wird auch deshalb der seit 1908 (Männer) und 2012 (Frauen) olympische Boxsport im Olympia-Programm 2028 fehlen. So wie weiterhin Jiu Jitsu.
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