München 1972: Die Spiele, die die Welt verändert haben

Trauerfeier statt Medaillenzeremonie: Im September 1972 hielt die Welt den Atem an
Es sollten heitere Wettkämpfe werden – sie endeten im Desaster. Nach dem Terror sollte es nie wieder so sein wie vorher.

Als am 5. September 1972 um 9 Uhr in München das Volleyballspiel Deutschland gegen Japan startete, waren Mosche Weinberg und Josef Romano bereits tot. Zu dem Zeitpunkt forderten palästinensische Terroristen die Freilassung von 234 Gesinnungsgenossen, sie hatten elf Mitglieder des israelischen Teams im olympischen Dorf als Geiseln genommen und den Ringkampf-Trainer Weinberg und den Gewichtheber Romano dabei erschossen.

Doch erst nach und nach sickerten die Nachrichten durch. Das Ausmaß der Terror-Tat, die sich über mehr als 24 Stunden bis in den frühen Morgen des 6. September zog und am Ende 17 Todesopfer (inklusive fünf der Terroristen) forderte, sollte erst Stunden, Tage – teils erst Jahre – später erkennbar werden.

München 1972: Die Spiele, die die Welt verändert haben

5. September: Ein  Terrorist verhandelt aus dem Fenster des israelischen Quartiers heraus

Total überfordert

Es machte schmerzhaft offensichtlich, wie überfordert Polizei, Politik und Organisatoren mit der Lage waren. „Wir waren alle normale Revierbeamte“, sagte in einem Interview Jahrzehnte später ein Polizeiinspektor. Bewaffnet mit der üblichen Pistole, kleines Kaliber, sechs Schuss, ein Ersatzmagazin. „Wir waren total überfordert“, gab er wie viele andere später zu.

Keiner hatte mit einem Anschlag gerechnet, niemand wusste, wie man mit der Situation umgehen sollte. „Offenbar hatte man die eigene Propaganda von den ,heiteren‘ Spielen in München geglaubt“, sagt Terrorismusexperte Peter Neumann 50 Jahre später.

Deutschland hatte gehofft, sich mit den Spielen von München aus seiner dunklen Vergangenheit befreien zu können, einen sichtbaren Kontrast zu den von den Nazis missbrauchten Spielen von 1936 zu bieten – und lief mitten in ein Desaster.

München 1972: Die Spiele, die die Welt verändert haben

Die Katastrophe: Die gescheiterte Geiselbefreiung in Fürstenfeldbruck

Zäsur

Stundenlang hatten die Geiselnehmer mit Polizei und Politikern verhandelt, am späten Abend flogen sie mit zwei Hubschraubern zum 20 Kilometer entfernten Flugplatz Fürstenfeldbruck, wo ein Flugzeug auf sie wartete. Es kam zur Katastrophe: Bei einem langen Feuergefecht starben alle Geiseln, ein Polizist sowie fünf der acht Geiselnehmer. Die anderen wurden in Gewahrsam genommen, später aber freigepresst.

Die Spiele gingen weiter – nach dem Motto „The games must go on“ von IOC-Präsident Avery Brundage. Doch sie bedeuteten eine massive Zäsur: Schon vier Jahre später bei den Winterspielen 1976 in Innsbruck gab es Sicherheitsplanungen von einer völlig neuen Dimension.

Der KURIER blickt auf das Drama vor 50 Jahren ausführlich zurück. Unser Kolumnist Marc Janko befragte seine Mutter Eva Janko, die als Zeitzeugin die Tragödie vor Ort erlebte.

Wolfgang Winheim berichtete 1972 von den Olympischen Spielen in München für den KURIER. In einem Tagebuch wirft er einen sehr persönlichen Blick zurück.

Johannes Arends hat mit dem Terrorismusforscher Peter Neumann vom Londoner King’s College gesprochen, um den Hintergründen der Attacke und den Folgen auf die Spur zu kommen. Sie reichen bis in die Gegenwart.

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