Finales Formel-1-Drama: Warum Verstappen verdient Weltmeister ist
Als wäre der Kampf um die Formel-1-Weltmeisterschaft nicht ohnehin schon spannend genug gewesen, wurde das finale Duell zwischen Max Verstappen (Red Bull) und Lewis Hamilton (Mercedes) in Abu Dhabi zu einem absoluten Nervenkrimi.
Nach 58 Runden und der laut Sun "größten Kontroverse in der Formel-1-Geschichte" setzte sich der Niederländer auf den letzten Metern durch und holte sich nicht nur seinen zehnten Saisonsieg sondern auch die WM-Krone. Ein historischer Triumph.
Nach 22 Rennen und rund 6.400 gefahrenen Kilometern trennte die beiden WM-Rivalen gerade einmal acht Punkte. Wenige Meter entschieden am Ende über Triumph und Niederlage, Hamilton verpasste seinen achten Rekord-Titel und damit die Möglichkeit, endgültig an Michael Schumacher vorbeizuziehen.
Dominanz von Red Bull und Mercedes
Das Duell zwischen Verstappen und Hamilton endete also mit einer Kontroverse, der ohnehin hitzigen Beziehung zwischen Red Bull und Mercedes wurde damit weiter Zündstoff gegeben. Die beiden Top-Teams gaben heuer ganz klar den Ton an, holten gemeinsam 51 der insgesamt 66 Podestplätze (rund 77 Prozent). McLaren und Ferrari lagen mit je fünf Platzierungen unter den Top Drei bereits deutlich zurück.
Welche Lehren sind aus dieser Formel-1-Saison nun aber zu ziehen? Was war ausschlaggebend für den monatelangen Krimi an der WM-Spitze und den finalen Triumph von Verstappen? Und wie schlugen sich eigentlich die anderen Teams und Fahrer?
Der KURIER arbeitete sich durch die Statistiken und Zahlen der abgelaufenen Saison und bereitete diese grafisch auf. Von den Überfliegern in der Box bis hin zu den Altmeistern auf der Strecke: Das Formel-1-Jahr hatte nicht nur ein geschichtsträchtiges Duell um den WM-Titel zu bieten.
Verstappen gegen Hamilton
Im Mittelpunkts stand natürlich der Zweikampf an der Spitze. Verstappen gegen Hamilton, Red Bull gegen Mercedes. Nach den dominanten Jahren der Silberpfeile (2014 bis 2020), in denen 14 von 14 möglichen Titeln eingefahren wurden, bekamen die Formel-1-Fans wieder einen Titelkampf auf Augenhöhe zu sehen. Und was für einen.
Bei all der Spannung und den Kontroversen, die das finale Rennen in Abu Dhabi zu bieten hatte, kürte sich Verstappen am Ende durchaus verdient zum neuen Weltmeister. In 22 Rennen fand sich der Red-Bull-Pilot 18 Mal auf dem Podest wieder, feierte zehn Saisonsiege und acht zweite Plätze. Zehn Mal startete der 24-Jährige von der Poleposition, und damit doppelt so oft wie Hamilton.
Dass Verstappen heuer durchaus Dominanz ausstrahlte, wird vor allem bei einem Blick auf die Führungskilometer deutlich. Der Niederländer führte über rund 2.980 der insgesamt 6.400 gefahrenen Kilometer das Fahrerfeld an, fuhr also knapp 47 Prozent des Weges ganz vorne.
Hamilton, der letzte Saison noch fast 3.200 Führungskilometer (und damit rund 60 Prozent der Gesamt-Kilometer) verbuchte, musste sich diesmal mit 1.582 Kilometern an der Spitze begnügen.
Weltmeister in der Box
Ein Erfolgsrezept für den Neo-Weltmeister aus den Niederlanden war wohl auch die Stärke der eigenen Boxencrew. Kein Team wickelte seine Boxenstopps in dieser Saison schneller ab, als Red Bull. Rund 2,98 Sekunden benötigten Verstappen und Teamkollege Sergio Perez im Schnitt, der Niederländer war mit 2,66 Sekunden überhaupt die klare Nummer eins in diesem Jahr.
Der Zweitplatzierte, Charles Leclerc, liegt in dieser Wertung bereits deutlich zurück. Der Ferrari-Pilot musste pro Boxenstopp rund 3,09 Sekunden einplanen. Rekordweltmeister Hamilton belegte mit rund 3,29 Sekunden Platz fünf. Das Schlusslicht markierte Neuling Mick Schumacher, der im Haas durchschnittlich 5,28 Sekunden pro Stopp benötigte. Sein in dieser Saison punktelos gebliebenes Team rangiert auch in der Mannschaftswertung auf dem letzten Platz (Rund 4,65 Sekunden).
Konstant erfolgreich
Die Regelmäßigkeit, mit der Verstappen in diesem Jahr auf Platz eins oder zwei fuhr ist durchaus beeindruckend. Das war in den letzten Jahren nicht immer der Fall. Der Niederländer zeigte zwar seit seinem Formel-1-Debüt sein Talent und Können, tat sich aber schwer über eine Saison hinweg konstant abzuliefern. In der Saison 2017 gab es etwa in 20 Rennen sieben Ausfälle, letzte Saison konnte er fünf von 17 Rennen nicht beenden.
Heuer wurde er seinem Ruf als Jahrhunderttalent aber schließlich mehr als gerecht. Mit nur zwei Ausfällen in 22 Rennen (die niedrigste Quote seiner Karriere) und rund 82 Prozent, die er auf den ersten beiden Plätzen zu finden war, legte er den Grundstein für den schlussendlich historischen WM-Triumph.
Und doch: Mit der Konstanz, die sein Kontrahent seit Jahren an den Tag legt, kann Verstappen (noch) nicht mithalten. Während der 24-Jährige im Laufe seiner bisherigen Karriere in 42,55 Prozent der Fälle auf das Podest fuhr, kommt der 12 Jahre ältere Brite auf beeindruckende 63,19 Prozent. Was Top-10-Platzierungen angeht sind es sogar mehr als 86 Prozent. Dem gegenüber steht eine Ausfall-Quote von lediglich 8,7 Prozent.
Duell der Teamkollegen
Während Verstappen und Hamilton an der Spitze um Rennsiege und die WM-Krone kämpften, fanden sich Perez und Bottas klar in der Helfer-Rolle wieder. Die Beiden konnten aber auch so nur selten mit ihren Teamkollegen mithalten, hatten sowohl in den Qualifyings als auch im Rennen meist das Nachsehen. Im Kampf um die Poleposition gewann etwa Verstappen 20 von 22 Duellen gegen Perez, im Rennen lag er 19 Mal vor dem Mexikaner. Ein Bestwert in dieser Saison.
In den Qualifyings war es hingegen sein Ex-Teamkollege Pierre Gasly, der teamintern am dominantesten agierte. Der Franzose verlor im Sommer 2019 seinen Platz bei Red Bull und überzeugt seitdem beim Schwesterteam Alpha Tauri mit starken Leistungen. Heuer gewann er 21 Qualifying-Duelle gegen seinen Teamkollegen und Formel-1-Neuling Yuki Tsunoda. Die einzige Niederlage musste er beim Saison-Finale in Abu Dhabi einstecken.
Im Schnitt war Gasly in den Qualifikationen um 0,6 Sekunden schneller als der Japaner. Ein Wert, der nur von Schumacher getoppt wird. Der im Haas chancenlose Deutsche hatte zumindest mit dem eigenen Teamkollegen Nikita Masepin kaum Probleme und im Schnitt 0,95 Sekunden Vorsprung. In der Formel 1, in der es oft um Hundertstel geht, eine Welt. Zum Vergleich: Im über die Saison hinweg sehr ausgeglichenen Duell zwischen den beiden Alpine-Piloten Fernando Alonso und Esteban Ocon war der Spanier dem Franzosen in den Qualifyings im Schnitt gerade einmal 0,05 Sekunden voraus.
Der Top-Speed und die Alt-Stars
So sehr Schumacher aber auch intern aufzeigte, viel zu lachen hatten er und sein Team in dieser Saison nicht. Haas fuhr meist nur hinterher, konnte als einziger Rennstall nicht punkten. Das Auto war einfach nicht gut genug. Das zeigt auch ein Blick auf den Top-Speed. Haas liegt hier mit durchschnittlich 312,68 km/h abgeschlagen auf dem letzten Rang. Überraschenderweise sind hier Red Bull und Mercedes im hinteren Feld zu finden, während Alfa Romeo mit rund 321,68 km/h am schnellsten unterwegs war.
Unter den Fahrern war McLaren-Pilot Daniel Ricciardo in diesem Jahr jener mit dem höchsten Top-Speed (323,32 km/h). Hinter ihm folgen die beiden Alt-Stars und Ex-Weltmeister Fernando Alonso (323,18 km/h) und Sebastian Vettel (322,94 km/h).
Letzterer war es auch, der sich den erstmals von der Formel 1 vergebenen Award für die meisten Überholmanöver sicherte. Der 34-jährige Deutsche schaffte es in den 22 Saison-Rennen 132 Mal an einem Gegner (oder Teamkollegen) vorbei zu gehen. Es folgten Alonso und Kimi Räikkönen, der seine Karriere nach 20 Jahren, 350 Rennen, 21 Siegen und einem WM-Titel beendete. Und so wurde also am vergangenen Sonntag ein Weltmeister verabschiedet, während ein anderer erstmals gekürt wurde.
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