Drama in Silverstone: Hamilton kroch auf drei Reifen zum Sieg
Eine Triumphfahrt sieht anders aus. Schneller vor allem. Im Schneckentempo (für Formel-1-Boliden) überquerte Lewis Hamilton als Erster die Ziellinie beim Großen Preis von Großbritannien. Mit dem siebenten Sieg bei einem Heimrennen stellte der Superstar im Mercedes den nächsten Rekord auf, so erleichtert wie gestern war der Titelverteidiger aber selten: „Ich habe so was wie in der letzten Runde noch nie erlebt, mir ist fast das Herz stehen geblieben.“
Es war tatsächlich ein Herzschlagfinale auf den letzten Metern. Im 52. und finalen Umlauf auf der Vollgasstrecke hatte beim dies dahin überlegen Führenden der linke Vorderreifen seinen Dienst verweigert. Es ist jener Reifen, der in den Kurven auf dem ehemaligen Flugfeld der britischen Luftwaffe besonders stark beansprucht wird.
Die letzten Kurven wurden daher zur großen Zitterpartie für Hamilton. „Zum Glück hat es noch geklappt. Ich dachte, die letzte Runde würde geschmeidig“, sagte er. Verfolger Max Verstappen hatte natürlich vom Malheur des Weltmeisters gehört und verringerte mit der schnellsten Rennrunde den Rückstand in Windeseile. Am Ende fehlten dem Niederländer lediglich fünf Sekunden.
Endstand Grand Prix von Großbritannien - 52 Runden à 5,891 km/306,198 km:
1. Lewis Hamilton (Großbritannien Mercedes 1:28:01,283 Std.
2. Max Verstappen (Niederlande) - Red Bull +5,856 Sek.
3. Charles Leclerc (Monaco) - Ferrari +18,474
4. Daniel Ricciardo (Australien) - Renault +19,650
5. Lando Norris (Großbritannien) - McLaren +22,277
6. Esteban Ocon (Frankreich) - Renault +26,937
7. Pierre Gasly (Frankreich) - Alpha Tauri +31,188
8. Alexander Albon (Thailand) - Red Bull +32,670
9. Lance Stroll (Kanada) - Racing Point +37,311
10. Sebastian Vettel (Heppenheim) - Ferrari +41,857
11. Valtteri Bottas (Finnland) - Mercedes +42,167
12. George Russell (Großbritannien) - Williams +52,004
13. Carlos Sainz Jr. (Spanien) - McLaren +53,370
14. Antonio Giovinazzi (Italien) - Alfa Romeo +54,205
15. Nicholas Latifi (Kanada) - Williams +54,549
16. Romain Grosjean (Frankreich) - Haas +55,050
17. Kimi Räikkönen (Finnland) - Alfa Romeo + 1 Rd.
Ausfälle: Nico Hülkenberg (Emmerich) - Racing Point (1. Rd.); Kevin Magnussen (Dänemark) - Haas (1. Rd.); Daniil Kwjat (Russland) - Alpha Tauri (12. Rd.)
Schicksalshaft
Natürlich musste sich Red Bull im Anschluss eine Frage gefallen lassen: War der zweite Sicherheitsboxenstopp kurz vor Schluss wirklich nötig? Andererseits hätte Verstappen ein ähnliches Schicksal wie Hamilton ereilen können. Anzeichen dafür gab es einige. Carlos Sainz im McLaren kam nach einem Reifenplatzer links vorne ebenfalls um eine Topplatzierung wie Valtteri Bottas. Der Finne war auf dem Weg zum nächsten Mercedes-Doppelsieg, als sich zwei Runden vor der Zielflagge sein Reifen in Luft auflöste. Der nötige Boxenstopp spülte ihn außerhalb der Punkteränge.
Und nun zur schlechten Nachricht: Bottas fehlen als Zweitem nach vier Saisonrennen bereits 30 Punkte auf Hamilton. Damit steht schon jetzt fest, dass der Weltmeister Silverstone, wo an diesem Sonntag schon der nächste Grand Prix ansteht, in jedem Fall als WM-Führender verlassen wird. Außer Teamkollege Bottas dürfte es in den kommenden Wochen wohl niemanden geben, der es ernsthaft mit Hamilton aufnehmen wird können.
Zu überlegen ist der schwarze Silberpfeil unter allen Umständen. „Im Rennen waren sie natürlich zu schnell“, gab dann auch Max Verstappen zu. Und im Qualifying erst. Am Samstag hatten die Mercedes-Männer die Gegner regelrecht gedemütigt. Verstappen hatte als Dritter bereits mehr als eine Sekunde Rückstand. Gleichzeitig losgefahren, hätte Hamilton an der Ziellinie satte 71 Meter Vorsprung gehabt auf den Niederländer.
Konkurrenzlos
„Wir haben uns keine Freunde gemacht. Wir sind wirklich in einer eigenen Liga gefahren“, gestand Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Qualifying. Viel Zeit, den Rennwagen entscheidend zu beschleunigen, bleibt der Konkurrenz nicht. Nach dem zweiten Rennen in Silverstone reist der Tross direkt nach Barcelona weiter.
Danach gibt es eine einwöchige Pause, ehe in Belgien und Italien (Monza, Mugello) erneut drei Rennen binnen drei Wochen gefahren werden. „Dieser Mercedes scheint wie von selbst zu fahren“, sagt Sebastian Vettel, der den Ferrari gerade noch in die Punkte steuerte (Rang zehn) und mitansehen musste, wie Teamkollege Charles Leclerc vom Podium winkte.
Noch schlimmer als Vettel erging es seinem Landsmann Nico Hülkenberg. Der war kurzfristig für den mit Coronavirus infizierten Sergio Pérez eingesprungen, legte eine solides Qualifying hin und musste dennoch zusehen. Ein technisches Problem am Racing-Point-Auto machte einen Start unmöglich.
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