Verstappen vs. Hamilton: Episches Duell und „Österreichs Mafia“
Das Fahrerlager der Formel 1 ist nichts anderes als ein großer Marktplatz. Gehandelt werden Aussagen, mit denen die kleine Motorsport-Welt sich in lebensgroße Geschichten verpacken lässt. Diesbezüglich hat die Saison 2021 heiße Ware im Angebot. Ein Auszug: „Wenn ich er wäre, würde ich den Mund halten“, richtete Red-Bull-Teamchef Christian Horner seinem Gegenüber bei Mercedes, Toto Wolff, aus. Der Wiener erklärte ungewohnt undiplomatisch: „Es herrscht Krieg auf der Rennstrecke.“
Krieg ist in diesem Fall gut fürs Geschäft.
Vor dem Rennen in Brasilien an diesem Sonntag (18 Uhr MEZ) sprechen Experten und Außenstehende von einem Titelduell für die Ewigkeit. Das Fachmagazin Autosport hat den WM-Kampf zwischen Lewis Hamilton (Mercedes) und Max Verstappen (Red Bull) in der Liste der größten Rivalitäten der Formel-1-Geschichte bereits auf Rang sieben gehoben.
In Silverstone schickte Hamilton den Niederländer mit einem harten Manöver in den Reifenstapel und ins Spital, in Monza flog Verstappen über das Cockpit des siebenfachen Weltmeisters. Davor und danach gab’s Rennen der Extraklasse, zuletzt öfter vom Red-Bull-Piloten, der 19 WM-Punkte Vorsprung mit nach São Paulo nimmt.
Neben dem großen Rennen um den Fahrertitel sind sich die beiden Rennställe auch in der finanziell wichtigen Konstrukteurswertung bis auf einen Punkt nahegekommen. In den letzten vier Saisonrennen steht viel auf dem Spiel. Es geht um Trophäen und Geld, um Macht und Ruhm, und, als wäre das nicht alles schon genug, auch um Genugtuung.
Seit 2010 gewannen Red Bull und Mercedes alle WM-Titel. Mit den Erfolgen stieg die Achtung, doch irgendwann überwog Missgunst. Auf der Suche nach der letzten Tausendstel wurden im Reglement Graubereiche ausgeleuchtet, was die andere Seite juristisch zu unterbinden versuchte. Das sorgte für Schlagzeilen, selbst in der New York Times, die titelte: „Fair spielen lernen? Nicht Red Bull und Mercedes.“
Es ist eine Rivalität, die weit über Verstappen und Hamilton hinausgeht, und die eine starke rot-weiß-rote Färbung hat. Angesichts der Führungsfiguren (Dietrich Mateschitz und Helmut Marko bei Red Bull, Toto Wolff – und bis zu dessen Tod Niki Lauda – bei Mercedes) spricht die internationale Motorsportpresse wenig schmeichelhaft von der „österreichischen Formel-1-Mafia“.
Die gegenseitige Abneigung ist beinahe schon historisch gewachsen. Mateschitz ist seit jeher kein großer Fan der Marke Mercedes. Marko wiederum wetterte oft gegen das Alt-Herren-Image des deutschen Autobauers, während Red Bull im Kreis der großen Autohersteller oft geringschätzig als "Brausehersteller" betitelt wurde.
Der Verstappen-Deal
Ans Eingemachte ging es bald. Als Red Bull vor Jahren auf der Suche nach einem neuen Motorenpartner bei Mercedes vorstellig wurde, soll es Toto Wolff -im Gegensatz zu Lauda - gewesen sein, der das Machtwort "Nein" aussprach. Das Klima war da längst frostig. Zu Nutzen wussten das ausgerechnet die Verstappens. Als es um einen neuen Vertrag für Wunderkind Max ging, war es dessen Vater Jos, der auffällig oft bei Mercedes gesichtet wurde. Um ja nicht auch auf dem Fahrermarkt eine herbe Niederlage einzustecken, griff Red Bull im Zuge der Verhandlungen tief in die Tasche.
Dazu kamen Dutzende Kleine Sticheleien und skurrile Anekdoten, wie etwa, dass es bei gemeinsamen Charterflügen schon mal zu Sitzplatzumbuchungen kam, um dem Rivalen nicht den Tomatensaft weiterreichen zu müssen. Doch längst stehen harte Maßnahmen und raue Töne an der Tagesordnung. Zu sehen und zu hören wohl schon wieder dieses Wochenende im PS-Basar von Brasilien.
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