30 Jahre nach der Imola-Tragödie: Zu Besuch bei Ratzenbergers Eltern
1994 verunglückte Formel-1-Pilot Roland Ratzenberger tödlich. Der KURIER besuchte die Eltern in Salzburg, wo die Erinnerungen am Leben gehalten werden.
30 Jahre ist es nun schon her, dass die Formel 1 in Imola ihr wohl schwärzestes Wochenende erlebte. Am Freitag verletzte sich Rubens Barrichello bei einem Unfall, am Samstag (30. April 1994) starb der Österreicher Roland Ratzenberger, am Sonntag (1. Mai) verunglückte Ayrton Senna tödlich.
Imola veranstaltet in diesem Jahr einige Events in Erinnerung an die Verstorbenen. Auch Ratzenbergers Eltern Rudolf (90) und Margit (85) werden der Einladung Folge leisten. Schon Anfang April besuchte der KURIER das Ehepaar in seiner Wohnung in Salzburg. Jene Wohnung, die Sohn Roland eine Woche vor seinem Tod gekauft hatte.
Bei der Türglocke steht unter dem Namen „Bitte länger läuten“. Dabei sind die Ratzenbergers für ihr Alter nicht nur rüstig, sondern richtig fit. Rudolf fährt jeden Montag in den Hangar 7, um live beim Sport Talk von ServusTV dabei zu sein. „Und 2015 haben wir eine Weltreise gemacht. Da waren wir 98 Tage unterwegs“, sagt Rudolf nicht ohne Stolz.
Sie reisen generell gerne und empfangen oft Gäste. „Wir sind ein offenes Haus. Und wir haben auch kein gestörtes Verhältnis zur Presse.“ Daher stehen sie gerne Rede und Antwort, wenn ein „Jubiläum“ naht. Heuer sind es 30 Jahre.
„Das ist eine lange Zeit“, sagt Rudolf. „Ob das Ereignis weit weg oder noch nahe ist? Schauen Sie sich hier um.“ Bilder von Sohn Roland im Wohnzimmer, ein Miniatur-Helm, zwei Weinflaschen mit extra angefertigten Etiketten – mit dem Konterfei von Ratzenberger und Senna.
Ein Geschenk von den Veranstaltern des Rennens in Imola. Darunter ein Modell von Ratzenbergers damaligem Auto, dem Simtek. Mutter Margit ergänzt: „Weil ja der Roland die Wohnung gekauft hat, ist er quasi immer da. Hin und wieder rede ich in der Küche mit ihm, wenn ich mich beispielsweise über etwas ärgere“, lacht sie über sich selbst.
Sie seien früher schon für diese offene Art kritisiert worden von Verwandten und Freunden. Rudolf erklärt die Beweggründe: „Für mich ist das irgendwie eine Aufarbeitung der ganzen Katastrophe. Auf diese Weise haben wir von Anfang an damit umgehen können.“ Seine Frau bestätigt: „Wir sind ja beide Realisten.“ Und auch der Satz, dass das Leben weitergehe, habe sich bestätigt. Aber wie ging es denn weiter? Auch heiter? „Natürlich genießen wir es, ich bin ja froh, dass ich meinen Mann noch habe.“ Und zwei Töchter und viele Enkelkinder.
Die Oma war Schuld
Woher der kleine und ganz junge Roland einst das Interesse am Motorsport hatte? Sicher nicht vom Vater. „Ich habe in der Pensionsversicherungsanstalt gearbeitet und hatte nix mit Rennfahren zu tun“, erzählt Rudolf. „Ich bin eher auf der sicheren Seite und war nicht sehr happy, dass er Rennfahrer geworden ist. Mir wäre lieber gewesen er hätte die HTL fertig gemacht und nicht abgebrochen.“ Nun kommt die humorige Margit so richtig auf Touren.
„Jaja, das Wunschdenken eines Vaters. Eine Mutter ist da schon ein bissl hellhöriger. Ich habe gewusst, wenn er 18 Jahre alt ist, dann haut er ab. Diese Leidenschaft habe ich bei ihm gespürt. Und die kannst du nicht unterbinden. Und dann ist er auch mein Auto zu Schrott gefahren“, lacht sie und findet gleich die Schuldige für das Benzin im Blut.
„Meine Mutter. Sie war eine der ersten Frauen in Österreich, die ein Motorrad gefahren ist. Den Mut hatte er von ihr, wobei ich auch couragiert bin. Der Rudi ist eher der vorsichtige Typ, fährt aber gut Auto“, ist sie voll des Lobes. Die Ratzenbergers, sie häkeln einander gerne.
Der Kontakt zu Senna
Mit der Oma stand Roland einst am Fenster und hat Autos beobachtet, mit fünf Jahren hat er schon sämtliche Typen aufsagen können. Später kam es, wie es eben kommen musste. Motorsport-Stationen in Deutschland, England und vor allem Japan, wo Roland Ratzenberger ein bekannter Fahrer war.
Heute noch pilgern Fans regelmäßig ans Grab in Maxglan. „Wenn ein Fischerl dort liegt, dann waren es Japaner. Bei kleinen Windmühlen Niederländer.“ Aber auch Pralinen und Blumen werden aufs Grab gelegt.
Das Ehepaar freut sich, dass der Sohn auch heute nicht in Vergessenheit geraten ist. „Von der Bedeutung muss man es natürlich mit dem Senna in Zusammenhang bringen“, meint Margit. „Wäre Senna am Samstag gestorben, dann wäre der Grand Prix wohl abgesagt worden.“
Die Verbindung zu Senna kam für Ratzenberger durch Physio Joe Leberer zustande, damals Sennas medizinischer Vertrauensmann. „Senna wollte den Roland besser kennenlernen.“ Doch dazu kam es in Folge nicht mehr. Erst ein Jahr nach der Tragödie erkannte Rudolf Ratzenberger, wofür sich sein Sohn so begeistert hatte.
„Ich bin von Bernie Ecclestone eingeladen worden nach Imola. Bei der Begrüßung habe ich ihn gefragt ob er Englisch spricht. Da musste er lachen. Dort habe ich das Ambiente erlebt und verstanden, was die Formel 1 ausmacht. Auf diese Art habe ich erst richtig überrissen, welche Leistung der Roland gebracht hatte.“
Der erfüllte Traum
Die stolze Mutter freut sich, dass sich der Sohn seinen Traum von der Formel 1 noch erfüllt hat. „Das war sein Bestreben. Er hatte schon 1991 einen Sponsor an der Hand, aber das hat sich im letzten Moment zerschlagen.“ In der heutigen Formel 1 würde Roland Ratzenberger nach so einem Unfall wohl aus dem Auto steigen.
„Die Formel 1 ist nach diesem Wochenende sicherer geworden. Das hat einigen Fahrern das Leben gerettet.“ Die Ratzenbergers schauen sich regelmäßig Rennen an. Bei einem schweren Unfall reißt es Rudolf schon noch. Margit dafür viel eher, wenn ein Skifahrer stürzt. „Der Roland war ja auch ein exzellenter Skifahrer und hat auch diesen Sport geliebt.“
Die Streif in Kitzbühel ist er auch einmal hinunter gedüst. Das gastfreundliche Ehepaar hätte noch mehr zu erzählen. „Ist der Kaffee eh nicht zu stark? Wollen’s noch einen Kuchen?“
Am 1. Mai werden sie in Imola sein, sich freuen und auch weinen.
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