Heinz Prüller wird 80: Der Belächelte, Verfluchte und Bewunderte
Wenn Heinz Prüller aufschrie – wozu oft Anlass bestand im unfallreichen letzten Jahrtausend – zog’s auch solche zum Fernsehapparat, die sich kaum für die Formel 1 interessierten. Heute verfolgt der Mann, der in der Öffentlichkeit einen ähnlich hohen Bekanntheitsgrad wie so manch von ihm verehrter Star genoss, die Rennen selbst vom Patschenkino aus.
Heinz Prüller lebt in einem Seniorenheim in Wien-Döbling. Zuweilen streiken die Beine. Aber seine Stimme klingt immer noch vertraut und fest – so, als hätte dem Workaholic der brutale Stress nie geschadet.
Heinz Prüller: Seine besten Sprüche:
"Diese Kurve ist sehr eckig."
"...nicht wie in Monte Carlo, wo jede Runde 1200 Mal geschalten wird."
"Sehr gefährlich diese Kurve! Hier ist es ja auch schon einmal passiert, dass ein Auto sich in der Luft überschlug, auf allen vier Rädern landete und das Rennen fortsetzen konnte, aber dazu morgen mehr."
"Der Tunnel ist im Laufe der Jahre immer länger geworden. Ich kann mich erinnern: Früher war er kürzer, er war auch dunkler, jetzt ist er lichter."
"Nigel Mansell, sein Rezept war immer sich an den Randsteinen anzuhängen, an den Leitplanken entlang zu schlittern und damit Bruchteile von Sekunden zu holen."
"Man bremst entweder vor einem Buckel oder nach einem Buckel, auf keinen Fall auf einem Buckel."
"Vielleicht erinnern Sie Sich noch. Das war ein Film, in dem auch Jochen Rindt mitgespielt hat."
"...als Alberto Ascari von den Froschmännern geborgen wurde, aber erst vier Tage später bei Testfahrten in Monza starb."
"In Monte Carlo ist immer alles anders."
"bucklig, abschüssig, links haben Sie ein Feinschmeckerlokal, Rapoldi heißt's."
"Nelson Piquet, der ja in Monaco immer mit echter Platzangst fährt, mit einem Gefühl der Klaustrophobie. Er sagt, in Monte Carlo hast du als Fahrer immer das Gefühl, dass du nur einen Fuß im Cockpit hast, den anderen aber draußen auf der Straße."
"Ron Dennis hat seinen ersten Papagei Turbo genannt. Der ist dann eingegangen."
"Piquet, der auch sagt: In Monte Carlo Formel 1 zu fahren, auf diesem engen Straßenkurs, das ist so, als würdest du mit einem Hubschrauber im Wohnzimmer herumfliegen, wie ein Papagei."
"Monte Carlo, der Rennverlauf spitzt sich immer zu wie ein griechisches Drama. Im letzten Drittel wird alles entschieden."
"...Fürstentum, die Häuser schießen Jahr für Jahr mehr in die Höhe, das ist unglaublich."
"Hier brauchen die Autos sehr viel Lenkeinschlag, deshalb wird die Korrektur korrigiert."
"Hier sehen sie den Schwager von Alesi, das ist dieser Japaner."
"Und dann kommt die Stelle, an der die Fischer immer wieder mit ihren Fischernetzen vom Hafen herüber kommen. Eine ziemlich glatte und schwierige Stelle."
"...um in der Sprache des Autoroulette zu bleiben: Da rollen mehrere Kugeln auf Zero."
"In Monte Carlo könnten die Autos theoretisch auch auf der Tunneldecke fahren."
"Die atmen vor dem Start und gehen dann eine enorme Sauerstoffschuld ein."
"Ich darf Ihnen leider nicht verraten, dass nächstes Jahr die Slicks wieder kommen, da es noch geheim ist."
"Die ganze Williams-Box jubelt. Frank Williams kann leider nicht aufstehen, er ist ja an den Rollstuhl gefesselt."
Am Freitag wird Prüller 80. Er hat gezählte 80 Bücher verfasst. „Aber nicht nur über die Formel 1“, will der Jubilar festgehalten wissen.
Tatsächlich wirbelte er als rasender Reporter die Medienszene in vielen Sportarten durcheinander.
Bei Olympia 1968 in Mexiko verschaffte sich Prüller mit weißem Kittel als Arzt verkleidet Zutritt in den Doping-Kontrollraum.
Bei Olympia 1972 in Sapporo bremste er als Express-Reporter den KURIER mit Skandalstorys über den kurz danach ausgeschlossenen Karl Schranz aus, obwohl der KURIER-Kolumnist war.
Nach den Winterspielen 1976 in Innsbruck musste ich wegen Kollegen Heinz beim damaligen KURIER-Chefredakteur zum Rapport.
Sowohl Prüller, zu dieser Zeit bereits in Doppelfunktion bei ORF und Kronen-Zeitung, als auch ich hatten am selben Tag nur nicht zur selben Uhrzeit Olympia-Präsident Kurt Heller interviewt. Anderntags hieß es in Prüllers Titelstory, dass sich Österreich nun auch um die Sommerspiele bewerbe und Wien Olympiastadt werde. Im KURIER stand nichts davon. Was der Chef ein grobes Versagen eines unerfahrenen Jung-Redakteurs nannte.
Abwechselnd wurde Prüller von ganzen Sportreporter-Generationen beneidet, belächelt, verflucht, kritisiert, bewundert.
Bewundert
... ob seines Aktionsradius. Bei einer Doppel-Abfahrt in Aspen (USA) zum Beispiel, wo ich Mühe hatte, den (durch den achtstündigen Zeitunterschied erschwerten) Redaktionsschluss einzuhalten, während sich Prüller vor Harti Weirathers Abfahrts-Weltcupsieg 1981 abwechselnd als ORF-One-Man-Show in Radio und TV bewährte, für die Krone schrieb und sich dazwischen noch telefonisch auf Italienisch bei Pia Maria Regazzoni nach dem Befinden ihres verunglückten Mannes Clay Regazzoni erkundigte;
Belächelt
... wie einmal in Vorarlberg, wo Formel-1-Experte P. in der zweiten Startreihe eines Promi-Rennens den Retourgang erwischte; oder wie in Cortina, wo Ski-Reporter P. die steile Tofana zu testen wagte und sich nach ersten Stemmbogen, neben Felsen 80 Meter hinabkollernd, seiner Sportgeräte entledigte;
Beneidet
... weil der Wiener-Sportclub-Sympathisant in besonders vielen Sportarten zu besonders vielen Sportgrößen (angefangen von Ski-Jahrhundert-Dame Annemarie Moser-Pröll, Eiskunstlauf-Dreifach-Weltmeister Emmerich Danzer, Team-Kickern, bis zu den Motor-Helden Niki Lauda, Gerhard Berger usw.) besonders guten Kontakt besaß. Auch wenn das Naheverhältnis dazu führte, dass er mit zwei Ausnahmen (Rapid-Kurzzeit-Coach Karl Rappan, Eis-Olympiasieger Wolfgang Schwarz) Sportler nie scharf kritisierte;
Gefürchtet
... von TV-Co-Kommentatoren, zumal diese bei Live-Übertragungen wegen Prüllers Informationsdranges kaum zu Wort kamen. Was Red-Bull-Motorchef Helmut Marko im 50. Grand-Prix-Buch Prüllers so formuliert:
„Ich hatte das Vergnügen, mit Heinz einige GP zusammen zu kommentieren. Dabei lernte ich, dass das aktuelle Renngeschehen nur bedingten Einfluss auf Heinz Prüllers Kommentare hatte.“
Gierig nach Geld und Macht war Exklusiv-Heinzi nie. Nur mit den besten G’schichten wollte er stets in der Pole-Position sein.
wolfgang.winheim
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