Der Kuss, der den spanischen Fußball veränderte
Jenni Hermoso ist eine schlagfertige Person. Sie ist Fußball-Weltmeisterin, ihren muskulösen Körper zieren unzählige Tattoos. Wenn Jenni Hermoso über diesen Kuss – und alles, was danach kam – spricht, kommen ihr immer noch die Tränen.
Kaum jemand kam im Sommer 2023 an den Bildern vorbei: Jubel in Sydney nach dem Fußball-WM-Finale der Frauen. Nach Monaten des Streits, der Aussprachen, der Streiks und Rücktritte hatten die Spanierinnen erstmals den ersehnten WM-Pokal geholt.
Der damalige Präsident des spanischen Fußballverbandes, Luis Rubiales, war emotionalisiert. Zunächst griff er sich neben der spanischen Königsfamilie stehend zwischen die Beine, jubelnd kam er aufs Feld, hob Spielerinnen auf seine Schultern – und bei der Siegerehrung legte er seine Handflächen an den Kopf Jenni Hermosos und küsste sie auf die Lippen.
Zerrüttetes Team
Der Kuss, der den spanischen Fußball veränderte. So nennt es die Streaming-Plattform Netflix. In einer neuen Dokumentation erzählen Spielerinnen und Journalistinnen, wie es zu dem Eklat kam und was hinter den Kulissen passiert war. Dort teilen Spielerinnen ihre Erinnerungen, welcher Kampf diesem Titel und diesem Kuss bereits vorausgegangen war.
Denn nicht alle, die bei dem größten Erfolg des spanischen Frauen-Nationalteams dabei sein sollten, waren dabei. Monate vor der Endrunde in Australien und Neuseeland hatten 15 Spielerinnen erklärt, nicht für das Nationalteam von Teamchef Jorge Vilda zur Verfügung zu stehen, weil die Situation ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit schade.
In den Wochen danach prägten Diskussionen, Aussprachen, Anpassungen, Konflikte und Rücktritte vom Rücktritt den Alltag der Spielerinnen. Bei der Anreise zum WM-Turnier war das Team zerrüttet, erzählen die Spielerinnen. Am Ende wuchsen sie zusammen und gewannen schließlich das Finale gegen England.
Torhüterin Sandra Paños fiel es schwer, sich zu freuen. Sie war nicht dabei – aus Überzeugung. „Du träumst dein ganzes Leben von diesem Moment und dann erlebst du ihn zuhause“, sagt sie in der Doku. „Spanien hat auf uns vergessen!“ Weltfußballerin Aitana Bonmati erinnert sich: „Der Weltmeistertitel war getrübt.“
Gehört werden
Der Kuss war nur die Spitze eines verborgenen Eisbergs, die nun live im TV in dutzende Länder übertragen wurde. Barcelona-Superstar Alexia Putellas erklärt: „Es ging nicht nur um Rubiales und Vilda, das System konnte nicht so bleiben.“ Rubiales muss sich nun Anfang 2025 vor Gericht verantworten.
Am Ende hat der Kampf der Fußballerinnen eine Bedeutung auch für die Gesellschaft. Hermoso: "Wir sind auch Weltmeister geworden, damit wir gehört werden." Und "Zu sagen ’das war schon immer so’, gilt ab jetzt nicht mehr!"
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