Handball-EM: Kroatien zeigt Österreich die Grenzen auf
Schon beim Blick auf die Bilanz konnte den österreichischen Handballern und ihren Anhängern vorab ein wenig mulmig werden. Sechs Pflichtspiele gab es bisher gegen Kroatien – und ebenso viele Niederlagen.
Die Trendwende sollte auch am Donnerstag bei der Heim-EM nicht eingeleitet werden. Die Österreicher mussten sich zum Start der Hauptrunde in Wien mit 23:27 geschlagen geben und waren dabei dem zweifachen Olympiasieger in allen Bereichen unterlegen.
Dass es am Samstag gegen Spanien wieder etwas einfacher wird, lässt sich nicht belegen. Dem Titelverteidiger hatte zuvor beim 31:25 gegen Tschechien der Schongang zu einem souveränen Sieg genügt.
Beste Atmosphäre
Die Kroaten hatten gute Erinnerungen an die Wiener Stadthalle. 2010 feierten sie an Ort und Stelle mit Silber ihren bis heute größten Erfolg bei einer Europameisterschaft. Lautstarke Unterstützung in der mit 9.000 Besuchern nahezu ausverkauften Arena war dem Titelanwärter ebenfalls gewiss.
Die kroatischen Anhänger hatten jede Menge zu jubeln. Die Dominanz des Favoriten zeigte sich vor allem beim Blick auf eine Zahl: Vier Tore gelangen den Österreichern in den ersten 18 Minuten. Das hastige und oft ungenaue Abschlussverhalten lag mitunter auch an der ausgezeichneten Abwehrarbeit Kroatiens. Die Gäste zwangen mit einer offensiven, aber dennoch lückenlosen Variante die österreichischen Spieler immer wieder zu Abschlüssen aus unangenehmen Positionen.
Auch Österreichs Schlüsselspieler war bei den Kroaten in besten Händen: Jungstar Bilyk, nach der Vorrunde der beste Werfer der EM, erzielte sein erstes Tor nach quälend langen 24 Minuten.
Große Klasse
In der Abwehr arbeiteten die Österreicher, angeführt von einem erneut gut eingestellten Tormann Eichberger, lange Zeit solide. Doch Kroatien antwortete mit Klasse. Kein Wunder. Die nominell erste Aufbaureihe bestand aus Profis von Kiel, Barcelona und Szeged. Alle drei Klubs sind aktuell Anwärter auf den Sieg in der Champions League. Österreich konnte auf der anderen Seiten aufbieten: Kiel-Toptalent Bilyk sowie Zivkovic und Zeiner vom österreichischen Verein aus Hard. Jetzt nichts gegen Hard. Die Käsespätzle schmecken am Bodensee bestimmt besser als in Deutschland, Spanien und Ungarn.
Den Österreichern waren die Mühsalen anzumerken. Jeder Angriff verschlang nicht nur Zeit, sondern auch Kräfte. Teamchef Pajovic wechselte auf nahezu allen Positionen mehrmals, doch keine rot-weiß-rote Formation fand ein Mittel gegen die kroatische Auswahl. Der Pausenpfiff bei 8:13 schien einer Erlösung gleichzukommen.
Gespannt durfte man sein, wie die jungen Österreicher auf diesen ersten Dämpfer im Rahmen der Heim-EM reagieren würden.
Den Presslufthammer sollten sie nicht finden für den kroatischen Abwehrbeton, aber zumindest einen Bohrhammer. Ein mutigeres und konsequenteres Angriffsspiel ermöglichte einfachere Tore. Doch die kroatischen Stars verwalteten den stets komfortablen Vorsprung zu clever.
Tormann Thomas Eichberger bilanzierte: „Natürlich hat der Gegner enorme Qualität, aber wir haben erste Halbzeit auch nicht das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben.“
Robert Weber wusste, warum Kroatien so überlegen war: „Domagoj Duvnjak hat es geschafft, dass er unser Spiel verlangsamt hat. Das war der Hauptgrund, weshalb wir im Angriff heute nicht ins Laufen gekommen sind.“ Eine Niederlage mit vier Toren Differenz sei gegen eine Mannschaft wie Kroatien „achtbar“, aber „ich bin dennoch nicht zufrieden. Ich will immer gewinnen“. Und dafür hofft er, dass in den nächsten Spielen noch mehr von den Tribünen kommt. „Schade, dass wir als Heimmannschaft ein Auswärtsspiel hatten. Aber die Stimmung war schön und nicht feindlich.“ Gerald Zeiner sprach die Chancenverwertung in der ersten Hälfte an: „Da haben wir es ein bisschen vermasselt mit den Lattentreffern.“
Teamchef Ales Pajovic ortete „zu viel Respekt. In den zweiten 30 Minuten haben wir es dann besser gemacht. Wir hatten bei 20:24 zwei gute Chancen. In der zweiten Hälfte waren wir kompakter. Jetzt spielen wir gegen die Guten. Ich habe zu den Jungs gesagt, sie sollen das genießen. Die Jungs müssen in den nächsten Spielen an sich glauben.“
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