"Yusuf Demir und der FC Barcelona - das ist wie ein Märchen"
Zum Kennenlernen mit dem großen Idol kommt es nicht: Lionel Messi hat den FC Barcelona verlassen. Schade für Yusuf Demir, der die auf Video studierten Tricks des Weltstars in Hütteldorf immer wieder geübt hat? Oder sogar gut für die 18-jährige Rapid-Leihgabe, weil auf dem Weg in den Profikader eine übermenschlich hohe Hürde wegfällt?
Eifrig wird unter Fußball-Fans diskutiert, seit Rapid am 9. Juli Yusuf Demir nach Barcelona verliehen und dem Weltklub eine Kaufoption um zehn Millionen eingeräumt hat. Im Gegenzug verlängerte der Edeltechniker seinen Vertrag bis 2023.
Wie groß sind die Chancen des Wieners, sich bei den Katalanen zu etablieren? Der KURIER bat Peter Filzmaier, Florian Scheuba und Michael Hufnagl um ihre Einschätzungen. Das Trio aus Wien eint die Leidenschaft für den FC Barcelona.
Verwirklichter Traum
Bei Kabarettist Scheuba kommt eine noch größere Liebe für Rapid dazu: Der 56-Jährige ist das Gesicht der Mitgliederkampagne.
„Yusuf Demir und der Barcelona - das ist wie ein Märchen. Das empfinde ich als Fan der Vereine so und ich glaube, er selbst sieht das ähnlich: Es ist schon cool, auf die Premier League zu verzichten, um seinen Traum verwirklichen zu können. Und dann geht’s genau so auf.“
Barcelona, sonst nix
Zur Erinnerung: Demir hat im Jänner einen Verkauf nach Brighton um zehn Millionen abgelehnt. Der Linksfuß wollte unbedingt nach Barcelona.
„Dieser Kompromiss von Rapid mit der Vertragsverlängerung und der Leihe war das Beste, was drinnen war. Der Deal bringt Rapid sicher Renommee, auch das ist ein Wert“, meint Scheuba.
Zum Zeitpunkt des Wechsels meint Filzmaier: „Die Schlüsselfrage lässt sich noch nicht beantworten: Ist Demir zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Einerseits könnte er ein Vakuum nutzen, weil Barça sparen muss und die Talentschmiede La Masia abgewirtschaftet hat. Andererseits stehen sicher noch einige Offensivspieler über ihm.“
Ball flach halten
Der Politologe verweist auf den den Fachbegriff des Erwartungsspiels und wünscht dem Teenager, „dass er nicht mehr mit Messi verglichen wird. Das ist viel zu hoch und unpassend. Auch ein Top-Talent wie Ansu Fati ist noch weit weg. Es wäre für ihn besser, wenn der Ball flach gehalten wird.“
Dafür könnte es nach dem starken Start schon zu spät sein, meint Hufnagl: „Barcelona pusht auf Social Media Demir auffällig stark. Auf die Medien wirkt er sympathisch.“
Der Journalist, der lange den KURIER-Sport verstärkt hat, zog 1991 für ein Jahr nach Barcelona: „Als ich dort war, gelang Koeman im Champions-League-Finale 1992 das Siegestor.“
Seither verfolgt der 50-Jährige jede Barça-Partie und sieht im niederländischen Trainer den richtigen Lehrmeister: „Das Beispiel Pedri zeigt, was möglich ist: Koeman hat ihn vom B-Team hochgezogen. Er fördert Talente beharrlich, bis man ihnen beim Wachsen zusieht. Pedri ist erst 18 und doch schon das Hirn der Mannschaft und auch des Nationalteams.“
Da stellt sich die unter Rapid-Fans besonders gerne diskutierte Frage: Demir hatte zwar 32 Saisoneinsätze, aber nur sieben von Beginn. Hätte ihn Trainer Kühbauer zum Stammspieler machen müssen? „Man tut Kühbauer unrecht“, meint der Austrianer Hufnagl: „Aufgrund seiner Mitspieler hätte Demir als Stammkraft sehr viel Last für das Rapid-Spiel tragen müssen.“
Passende Joker-Rolle?
Scheuba sagt: „Vielleicht wären mehr Minuten möglich gewesen. Aber Kühbauers Gedanken waren nachvollziehbar, außerdem waren Yusis Leistungen als Startelf-Spieler nicht so prickelnd. Diese Saison wäre er dann sicher Stammspieler geworden.“
Dass es dazu in La Liga noch länger nicht reichen wird, betonen alle drei einhellig. „Der Verein wird ihn dazu bringen, die Sprache schnell zu lernen. Nebenbei wird er zwischen A- und B-Team pendeln. Den ersten Startelf-Einsatz könnte es dann im Cup geben“, prophezeit Hufnagl.
„Das Tor zur großen Fußball-Welt ist offen. Das Talent ist da – jetzt liegt es auch an Demirs Kopf, was er draus macht.“ Was er damit meint? „Ich freue mich über diese geile G’schicht. Ab er muss auch geistig verarbeiten, dass er im Training mit Top-Stars Doppelpass spielt. Man darf nicht vergessen, dass das ein erst 18-jähriger Bub ist.“
Angst vorm Boulevard?
Muss sich der ruhige Sohn türkischer Einwanderer nach ersten Enttäuschungen vor der spanischen Presse fürchten? „Nein“, meint Filzmaier: „Im Vergleich zum englischen oder italienischen Boulevard sind die Spanier eher fair und beschäftigen auch viele Fachkräfte.“
Es bleibt die große Frage nach der Entscheidung in einem Jahr: Zehn Millionen für Rapid oder ein Wiedersehen mit dem Top-Talent? Hufnagl: „Rapid wird ihn lange nicht sehen, weil ihn Barcelona nicht zurückschicken wird.“ Es könnte ja auch sein, dass es nach dem Kauf eine weitere Leihe gibt – aber diesmal von Barcelona zu einem kleineren spanischen Verein.
So sieht es auch Filzmaier: „Wenn Demir eines Tages – so wie sein bisheriger Trainer – Stammspieler bei Real Sociedad wird, ist er für mich trotzdem ein Gewinner.“
Scheuba verweist auf seine beiden Fan-Herzen und meint: „Ich würde ihn gerne wieder bei Rapid sehen, aber ich glaube an einen Verkauf. Einige spanische Medien schreiben ja schon jetzt, dass das ein gutes Geschäft für Barça wird.“
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