Vor eineinhalb Jahren war das erste Interview mit Yusuf Demir avisiert. Didi Kühbauer grätschte dazwischen. Auf sein größtes Talent würde noch genug einprasseln, der 16-Jährige sollte in Ruhe gelassen werden, erklärte der Rapid-Trainer. Mittlerweile ist die neue Nummer 10 A-Teamspieler, 18 Jahre und einen Monat jung – und bereit für das erste längere Zeitungsinterview der Karriere.
Demir überrascht wie auf dem Feld: Nach anfänglicher Nervosität präsentiert sich ein schlagfertiger junger Mann, der einen großen Traum hat.
KURIER: Mit dem Abpfiff des letzten Saisonspiels gegen den LASK hat der kurze Urlaub begonnen. Als ich zwei Stunden später den Presseraum verlassen habe, waren Sie immer noch da und haben vor der Kabine mit Marcel Ritzmaier Tischtennis gespielt. Können Sie ohne Ball nicht leben?
Yusuf Demir: Es stimmt, dass das so war. Aber eine Erklärung hab’ ich dafür nicht (lacht). Es ist auf jeden Fall so, dass ich alles mit Bällen gerne mache. Aber irgendwann brauche auch ich eine Pause. Dann schau ich öfters Fußball.
Worauf achten Sie bei Fußballspielen im TV besonders?
Man kann jeden Tag etwas lernen, auch durchs Zuschauen. Ich bin zwar kein Fan des spanischen Teams, aber ihren Stil mag ich. Am besten gefallen hat mir bei der EM das Achtelfinale Schweiz – Frankreich.
Sie sind ein Barcelona-Fan. Wie ist es dazu gekommen?
Es hat in der Familie oder bei meinen Freunden keine besondere Beziehung zu Barcelona gegeben, aber als ich sie zum ersten Mal spielen gesehen habe, hat mir das gleich gefallen. Es ist einfach schön, wie sie spielen. Und für den Verein empfinde ich eine Sympathie.
Was schauen Sie sich von Lionel Messi ab?
Sehr vieles. Er spielt seit 15 Jahren ganz oben, da kann ich nur lernen. Messi ist meine Nummer 1. Man kann auch von Cristiano Ronaldo sehr viel lernen. Die absoluten Top-Spieler verdienen größten Respekt.
Wenn Sie selbst spielen, wirkt es spielerisch. Macht es auch immer Spaß? Oder ist es manchmal nur Arbeit?
Natürlich ist Fußball auch Arbeit, aber es sollte immer Freude dabei sein. Bei mir ist das so: Der Fußball macht mir wirklich jeden Tag Spaß.
Und wenn Sie dann wieder einmal Ersatz sind und darauf warten müssen, Fußball spielen zu dürfen: Ärgert Sie das?
Ich will spielen. So oft und so lange wie möglich.
Sprechen Sie mit den Verantwortlichen darüber, was Sie verbessern müssen, um ein Stammspieler zu werden?
Ja, wir reden öfters. Ich will immer besser werden.
Als Sie erstmals im Nationalteam dabei waren, meinte U-15-Teamchef Martin Scherb, Sie wären zu gut und sollten schleunigst zu den Älteren wechseln. Haben Sie das im Nachwuchs oft gehört?
Direkt gesagt wurde mir das nie, aber es ist aufgefallen, wie schnell es gegangen ist: Ich habe in drei Jahren von der U15 bis zur U21 alles durchlaufen.
Yusuf Demir wurde am 2. Juni 2003 in Wien als Sohn türkischer Einwanderer geboren und kam mit 10 von der Vienna zu Rapid.
16 Jahre, 6 Monate und 12 Tage jung war Demir gegen die Admira (3:0) im Dezember 2019. Der Linksfuß löste Veli Kavlak als jüngsten Profi der Rapid-Geschichte ab.
Treffsicher: In seiner ersten vollen Profisaison traf Demir nach nur drei Wochen in allen drei Bewerben.
Auch zum A-Team ist es schnell gegangen. Obwohl die Türkei alles versucht hat, spielen Sie fix für Österreich. War das die bisher schwierigste Entscheidung Ihrer Karriere?
Es war nur ein bisschen schwierig, weil ich immer für Österreich spielen wollte. Ich habe beim ÖFB immer das Vertrauen gespürt, bei jeder Mannschaft gab es einen Plan für mich. Ich habe mich immer willkommen gefühlt.
War es eine Enttäuschung, dass Sie nach dem A-Team-Einsatz wieder zur U 21 mussten?
Nein, überhaupt nicht! Es war ein Highlight, schon fürs A-Team spielen zu dürfen, ich fühle mich aber bei der U 21 sehr wohl: Es herrscht Harmonie, niemand sieht sich über dem anderen stehend. Das macht viel Spaß.
Ihr Oberkörper wirkt wesentlich muskulöser als noch vor einem Jahr. Oder täuscht das durch die Trikots des neuen Ausrüsters?
Nein, ich bin wirklich muskulöser geworden. Ich arbeite sehr viel extra – so wie viele Mitspieler. Wir sind eine sehr ehrgeizige Mannschaft und leben auch so.
Als „harter Arbeiter“ hat Sie auch Steffen Hofmann bezeichnet, der Sie als Talentemanager bei Rapid auch vor der Unterzeichnung des Profivertrages beraten hat. Das klingt gar nicht nach dem „Goldfuß“ und dem „Supertalent“, als das Sie in der Öffentlichkeit bekannt sind.
Egal, wie talentiert du bist, du musst hart arbeiten! Ohne Arbeit geht nichts. Egal, wer du bist. Wenn du beides hast – Talent und auch den Willen, alles zu geben – dann kannst du viel erreichen.
Sie nennen Ercan Kara als Ihren besten Freund in der Mannschaft. Er ist 25 Jahre und war lange im Amateurfußball. Jetzt sind Sie gemeinsam bei Rapid. Wie sind so unterschiedliche Karriereverläufe möglich? Ist das auch Glück?
Nein, Glück ist es nicht. Ercan hat mit 17, 18 Jahren Dinge erlebt, die ich nicht kenne. Aber er hat nie aufgegeben. Es zeigt seinen Charakter, dass sich der Erci noch zu Rapid hochgearbeitet hat.
Sie haben die Nummer 10 bekommen. Ist das etwas Besonderes, oder sollten Nummern nicht überbewertet werden?
Doch, es ist schon etwas Besonderes für mich. Vor allem, wenn man schaut, wer bei Rapid bereits die Nummer 10 getragen hat. Es war seit meinem Beginn im Nachwuchs mein Traum, einmal bei den Rapid-Profis einzulaufen und dabei die Nummer 10 zu tragen.
Wissen Sie, wer die Nummer 10 hatte, als Rapid 1996 sensationell ins Europacup-Finale gekommen ist?
Ja. (Anm.: Es ist Trainer Didi Kühbauer) Es geht sich leider nicht aus, dass ich das schon gesehen hätte (lacht).
Was können Sie zu Ihrer Zukunft oder einem möglichen Transfer sagen, außer ,Das ist Sache meines Managements‘?
Nichts.
Dann probiere ich es so: Bis wann sollte klar sein, wie und wo es für Sie weitergeht?
Bis zum Ende der Transferzeit. Denn danach wird es schwierig (schmunzelt).
Belastet es Sie, dass es seit Jahren viele Anfragen gibt, aber Sie Ihre Zukunft noch nicht genau planen können?
Nein, tut es nicht. Ich sehe es eher als Ehre, dass sich viele Vereine für mich interessieren. Ich kann nur sagen, was ich einmal am liebsten hätte: Ich will für Barcelona spielen.
Auf welcher Position können Sie Ihre Stärken am besten einbringen?
Ich spiele dort, wo mich der Trainer aufstellt. Aber wenn ich selbst wählen soll, sage ich: entweder von rechts kommend, oder als Zehner, oder als hängende Spitze.
Eigentlich so wie Lionel Messi. Nur, dass er auch manchmal Mittelstürmer spielt.
Ich war im Nachwuchs drei Jahre Mittelstürmer. Das würde gehen, nur hohe Bälle wie auf Erci passen nicht so gut.
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