Winheims Tagebuch: Warum Katar für Hickersberger ein Traum war

Winheims Tagebuch: Warum Katar für Hickersberger ein Traum war
Der ehemalige ÖFB-Teamchef arbeitete viele Jahre in Nahost. Das Land der Weltmeisterschaft empfand er als fortschrittlich.

Marko Arnautovic und Kollegen bleibt’s wenigstens erspart, sich wegen der WM-Teilnahme in einem umstrittenen Land rechtfertigen zu müssen. Statt nach Katar wird an die Costa del Sol geflogen, wo Ralf Rangnick vor der Haustür von einem seiner Vorgänger proben lässt. Letzterer war zwei Mal ÖFB-Teamchef und dazwischen als erster österreichischer Trainer in Katar und dort Meistermacher gewesen:

Josef Hickersberger, 74, blickt von der Terrasse seines Appartementes Richtung Gibraltar. Er will weder beim ÖFB-Training im nahen Marbella noch beim Andorra-Match in Málaga zusehen. Er zieht die Übertragung im ORF vor. Den kann er empfangen in Spanien. Während seiner exotischen Trainerjahre war Hickersberger noch auf fremdsprachige Medien angewiesen. Den 11. 9. 2001 erlebte er via CNN in Doha. Als gleich ums Eck von ihm auch Osama bin Ladens Haus- und Hofsender Al Jazeera nonstop berichtete. Manche in Katar hätten mit den Terroristen sympathisiert. „Die Mehrheit aber war schockiert wie ich.“

Verglichen mit anderen Arbeitsstätten in Nahost empfand Hickersberger Katar als sehr fortschrittlich. „Die zwei Jahre in Katar waren die schönsten in meinem Trainerleben.“ Dass er netto doppelt so viel verdiente wie danach brutto als Meistermacher Rapids und er es auf dem Golfplatz zum Single-Handicap brachte, waren angenehme Nebeneffekte.

Sir Pepi profitierte von seiner Erfahrung mit Moslems. Wusste, dass es einem Frevel gleichkam, in der Fußballkabine ohne Badehose zu duschen. Und dass man Arabern bei Verhandlungen nie mit dem „Nackerten“ ins Gesicht fahren dürfe. Dass sein Pass bei Amtsantritt eingezogen wurde, nahm er den Scheichs nicht übel. Zumal sich Entwicklungshelfer vor ihm mit der Gage wiederholt vorzeitig aus dem Wüstenstaub gemacht hatten.

Als Katar 2010 die WM 2022 erhielt, nannte er die Entscheidung einen Erfolg für den ganzen fußballbegeisterten arabischen Raum. So sei’s in Abu Dhabi vorgekommen, dass sich Kopftuchträgerinnen, ihm zuwinkend, auf offener Straße als Fußball-Fans outeten.

Aktuell schließt sich Josef Hickersberger, irritiert durch inakzeptable TV-Äußerungen von WM-Botschafter Khalid Salman („Schwulsein ist geistiger Schaden“), der Meinung von Jürgen Klopp an. Der Liverpool-Coach sagt, dass man nicht die WM-Spieler verurteilen dürfe, sondern die Rolle jener hinterfragen müsse, die für Katar entschieden hatten. Das war 2010 ein exklusiver Zirkel honoriger Herren namens FIFA-Exekutivkomitee gewesen.

Nationalen Verbänden fehlte 2010 das Stimmrecht. Auch dem ÖFB. Somit ist der Fußball-Bund zumindest was Katar betrifft wie seine nicht qualifizierten Spieler aus dem Schneider. Und auf österreichische WM-Schiedsrichter pfeift die FIFA ohnehin schon seit 24 Jahren.

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