Vor dem Wiener Derby: Zwischen Königsklasse und Kanonenfutter

Vor dem Wiener Derby: Zwischen Königsklasse und Kanonenfutter
Corona hat die Kluft Reich - Arm noch dramatisch verbreitert. Auch Traditionsklubs kleiner Länder werden zu Kanonenfutter.

Im Gedenken an Zlatko „Zizo“ Kranjcar laufen die Rapid-Spieler zum 332. Derby mit Trauerflor ins leere Austria-Stadion ein. Kein Legionär schoss für Rapid so viele Tore (132) wie der von Freund wie Feind geschätzt gewesene, nur 64 alt gewordene Kroate.

Der (im Dezember an Covid verstorbene) legendäre Trainer Otto Baric hatte Kranjcar 1984 aus Zagreb geholt.

Spieler von der Klasse eines Kranjcar oder Tibor Nyilasi (der ungarische Teamkapitän traf in den 80-ern 120 Mal für Austria) kommen heute im besten Fußballeralter nie nach Wien. Wenn doch, dann nach dem fünften Kreuzbandriss.

Karrieren laufen mittlerweile nach vorgezeichneten Mustern ab. Ballgenies aus aller (meist ärmeren) Fußballwelt werden zunächst in Salzburg (zumal die Red-Bull-Fußballabteilung einen exzellenten internationalen Ruf als Sprungbrett für ganz nach oben hat), in der Schweiz, Holland, Frankreich, auf der iberischen Halbinsel oder bei einem deutschen Mittelständler geparkt.

Fällt Einer besonders auf, greift der FC Bayern beim dann bereits fünf Mal so Teuren zu. Läuft’s’ für dessen natürlich nie ans eigene Börsel denkenden Beratern besonders gut, wird er zum Pfundskerl und ins Gagenparadies England geholt. Als ertragreiche Alternativen gelten Paris SG, Real und (neuerdings nur noch mit Abstrichen) der arg verschuldete FC Barcelona.

Die Großen kaufen, um sich zu verstärken. Die Kleinen verkaufen, um zu überleben.

Wenn der SK Rapid im Sommer sein Ausnahmetalent Yusuf Demir und überdies noch den erst 23-jährigen Kapitän Dejan Ljubicic ziehen lässt, wird dies für Fans enttäuschend, aber offensichtlich die einzige Lösung zur Jobsicherung für 150 Hütteldorfer Gehaltsempfänger sein.

Fußball, SK Rapid Wien - Graz

Und wenn Austrias neuer Heilsbringer namens Luka Sur (ein erst 26-jähriger Brite mit georgischen Wurzeln) verkündet, dass er die Austria zu einem der besten Klubs Europas machen werde, dann

... ist das entweder blauäugig vom violetten Retter oder es gehört zur Strategie des strategischen Partners, skeptischen Medien eine rosarote Zukunft vorzugaukeln.

Die kolportierten sechs bis sieben Millionen von Surs Insignia Group und deren Männern mit östlichem Hintergrund sichern der Austria die Liga-Lizenz, würden allerdings in der deutschen Bundesliga bloß reichen, um die Jahresgagen von drei Profis zu zahlen.

Immerhin hat die Austria hinsichtlich Hygienemaßnahmen eine blitzsaubere Weste. Auch von Rapid und den anderen zehn Erstligisten werden keine Kosten und Mühen gescheut, damit sich das Virus nicht in ihre zwangsverwaisten Spielstätten verirrt.

Corona hat die Kluft Reich - Arm noch dramatisch verbreitert. Weshalb auch Traditionsklubs kleiner Länder endgültig zu Kanonenfutter für Europas Top-Ten verkommen werden.

Wie schön, würde sich diese Prognose nur als typisch wienerische Schwarzmalerei und eklatanter Irrtum erweisen. Dann, wenn es beim 336. oder 337. Wiener Derby in einem endlich wieder vollen Stadion für beide Vereine um den Einzug in die Champions League ginge.

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