Manchmal ist David Schnegg gerade versucht, sich kräftig zu kneifen. Um sicher zu gehen, dass das alles wirklich kein Traum ist. Um sich noch einmal zu vergewissern, wie ihm geschehen ist und was in nächster Zeit alles auf ihn zukommt: Klubs, die auf so klingende Namen wie Juve, Inter oder Roma hören; Gegenspieler, die Cristiano Ronaldo, Zlatan Ibrahimovic oder Pedro heißen; eine Liga, die Heimat des amtierenden Europameisters ist – die Serie A.
„Es ist schon ein bisschen unwirklich, dass ich jetzt hier dabei sein kann“, sagt David Schnegg, Linksaußen von Liga-Aufsteiger Venezia Calcio, der am Sonntag in Neapel in die neue Saison startet. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal hier spielen würde.“
Keine Profi-Ambitionen
Es ist fürwahr ein weiter Weg von der kleinen Fußballgemeinschaft Schönwies/ Mils im Tiroler Oberinntal in die große Serie A. Wer wie der junge David Schnegg in diesen Niederungen der Fußballligen daheim ist, der verfolgt meist andere Ziele als eine internationale Karriere.
Auch der schnelle Flügelspieler hatte keine großen Ambitionen, obwohl er seinerzeit schon als Teenager in der Tiroler Liga (4. Stufe) am Ball war und aus der Masse der Hobbykicker herausstach. „Ich habe mich damals mehr mit dem Ausgehen beschäftigt“, erzählt David Schnegg, „eine Laufbahn als Fußballprofi war kein Thema.“
Als er im Jänner 2018 ein Angebot von Zweitligist Wattens erhielt, wollte er einfach einmal sein Glück in einer höheren Spielklasse versuchen. Die Maler-Lehre hatte der 22-Jährige zu dieser Zeit gerade abgeschlossen, er hatte nichts zu verlieren, was sollte also schon groß schiefgehen?
Rasanter Aufstieg
Dann ging plötzlich alles ganz schnell, und der dynamische Oberinntaler übersprang in Windeseile mehrere Sprossen auf der Karriereleiter. Liefering, LASK, Rückkehr als Leihspieler zur WSG Tirol und von dort im Sommer zu Venezia Calcio in die Serie A.
In der Lagunenstadt tauchte der junge Tiroler in den vergangenen Wochen in eine völlig neue Welt ein. Wie sein österreichischer Mannschaftskollege Michael Svoboda, der bereits seit einem Jahr in Venedig spielt, hat David Schnegg nie eine Nachwuchsakademie besucht und ist ein Instinktfußballer alter Prägung. In Italien, dem Mutterland der Taktik und Strategie, erhielt der 22-Jährige nun in der Vorbereitung einen Crashkurs, dass ihm abends nur so der Kopf rauchte. „Ich hab’ hier in dieser kurzen Zeit taktisch mehr gelernt als in den letzten drei Jahren in Österreich“, berichtet David Schnegg.
Stressige Vorbereitung
Und dabei erhielt er die größte Unterstützung ausgerechnet von jenem Mann, mit dem er sich um die Position links in der Viererkette streitet. Cristian Molinaro, 38, Ex-Juve-Spieler und vier Jahre lang auch in Stuttgart, nahm den Tiroler unter seine Fittiche und half ihm bei der intensiven Eingewöhnung.
Für andere Sachen blieb dem Legionär in der stressigen Sommervorbereitung keine Zeit. David Schnegg hat es seit der Vertragsunterzeichnung im Juni nicht einmal zu den weltberühmten Sehenswürdigkeiten der Lagunenstadt geschafft. Wie fast alle Spieler lebt auch der Österreicher nicht in Venedig, sondern in Mestre. Nur zu den Heimspielen kommt das Team im Boot zum Stadio Pierluigi Penzo.
Spektakuläre Anreise
Schon allein die Anreise zum zweitältesten italienischen Stadion, das aktuell noch erstligafit gemacht werden muss, ist für Spieler und Fans ein Erlebnis.
Bei David Schnegg hat sich jedenfalls schon vor dem Saisonbeginn die halbe Verwandtschaft für einen Besuch in Venedig angekündigt. „Und wenn die wirklich alle kommen, dann bin ich bis Juli 2022 ausgebucht.“
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