Kaum ist Gerhard Milletich zurückgetreten, dominiert die Frage nach dem Nachfolger für den Präsidenten im größten Sportverband des Landes. Beantwortet werden wird sie nicht vor Mai. Allerdings: Schon am Freitag wird sich die ÖFB-Spitze bei der Präsidiumssitzung in Graz auf eine interimistische Lösung einigen. Gut möglich, dass die Wahl auf Philip Thonhauser fällt.
Der Admira-Präsident ist als Aufsichtsratvorsitzender der Bundesliga einer von vier Vizepräsidenten und im Gegensatz zu den drei anderen Stellvertretern Götschhofer (Oberösterreich), Geisler (Tirol) und Gartner (Niederösterreich) nicht „verbraucht“, sprich: Er gehört keiner der beiden Streitparteien an.
Was noch für einen Aufstieg zum obersten Repräsentanten spricht? Der 52-Jährige gilt durchaus als sattelfester Rhetoriker. Umso bedauerlicher, dass er dem KURIER nicht Rede und Antwort stehen will.
Sollten allerdings die Klubs der Bundesliga Thonhauser keine Freigabe erteilen, wäre allein schon die Suche nach einer interimistischen Lösung ein schwieriges Unterfangen. Manch einer wünscht sich aber ohnehin komplett frisches Blut. Tirols Verbandspräsident Sepp Geisler sagt jedenfalls: „Ich war vor Milletichs Wahl für einen externen Präsidenten und bin es jetzt umso mehr. Über allem steht jedoch, dass wir jemanden finden, der die Akzeptanz von allen hat.“
Gewitter kommt
Bevor im ÖFB wieder die Sonne scheint, ist für Freitag allerdings noch ein Gewitter zu erwarten. Zu klären ist die Frage, wie es mit den beiden leitenden Angestellten der Geschäftsstelle mit rund 80 Mitarbeitern weitergeht. Generalsekretär Thomas Hollerer und Geschäftsführer Bernhard Neuhold sprechen bekanntermaßen nur noch das Notwendigste miteinander. Während Neuhold der Milletich-kritischen Partie um die Präsidiumsmitglieder Geisler, Götschhofer und Hübel (Salzburg) zuzurechnen ist, galt Hollerer als engster Vertrauter des geschiedenen Präsidenten.
„Ihm vertraue ich blind“, hatte Milletich im Vorjahr noch selbst gesagt. Ob er dies wieder tun würde, ist nicht überliefert. Denn dem Vernehmen nach war Hollerer für Milletich nicht nur der Königsmacher in strategischen Fragen rund um dessen Wahl im Herbst 2021, sondern auch schlechter Ratgeber in der schließlich verlorenen Kontroverse. „Hätte Milletich Bereitschaft gezeigt, Präsidium und Geschäftsstelle zu einen und nicht zu spalten, hätte man über jeden Fehler reden können und er wäre vermutlich noch Präsident“, sagt Gerhard Götschhofer zum KURIER.
Thomas Hollerer, der Milletich auf Schritt und Tritt begleitete, wird aber nicht nur für atmosphärische Störungen mitverantwortlich gemacht. Im Oktober hatte der Jurist dem KURIER gegenüber noch versichert, dass die Vorwürfe gegen Milletich völlig aus der Luft gegriffen wären. Er sei bei allen Sponsorenterminen an der Seite des Präsidenten gewesen und müsse Bescheid wissen.
Verständnis von Loyalität
Der KURIER wollte am Mittwoch u. a. von Hollerer wissen, ob er immer noch zu dieser Aussage stehe. Der Wiener war aber nicht erreichbar. Vor den Fragen der Präsidiumsmitglieder wird er sich am Freitag nicht drücken können.
Dabei könnte es etwa um sein Verständnis von Loyalität gehen. Gegenüber dem Profil versucht Hollerer seine Nibelungentreue zu Milletich zu rechtfertigen: „Das Amt gebietet es, dass man gegenüber dem ÖFB und seinem Präsidenten loyal ist – wenn man das nicht ist, wäre man ja ein Verräter.“ Ob man nicht eher den Arbeitgeber verrät, wenn man bei offensichtlichem Fehlverhalten des obersten Funktionärs einfach wegsieht?
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