Sport-Club gegen Vienna. Das ist Tradition. Die Schwarz-Weißen aus Dornbach gegen die Blau-Gelben aus Döbling. Tradition ist die liebevolle Rivalität zwischen den Vereinen, Tradition ist der Hype um das kleine Wiener Derby, Tradition ist aber auch das Chaos rund um die Spiele in der Regionalliga.
45 Minuten muss man diesmal vor dem Eingang der Friedhofstribüne warten, bis man reinkommt. Gerade rechtzeitig, als der blinde Platzsprecher Roland Spöttling die Mannschaftsaufstellungen in die Anlage brüllt. Zu verstehen sind die Namen nicht, der Lautsprecher über meinem Stammplatz ist seit circa 1992 defekt.
Die Stehplatztribüne unmittelbar neben dem Dornbacher Friedhof ist voll wie schon lange nicht mehr. Mit einem „Sport-Club is on the Green!“-Choral wird die eigene Mannschaft auf das Feld geschickt.
Wenn von rechts der Eckball kommt, muss man sich weit vorbeugen, um etwas zu sehen. Ein Bier gibt es heute nicht, bin ja im Dienst. Naja. Eigentlich ist die Schlange vor den Zapfsäulen zu lange. Somit entfällt auch der Besuch bei Leo, dem freundlichen Klo-Mann, der jeden Gast persönlich begrüßt.
Schnelles Tor
Nach drei Minuten der Party-Schreck, Berkovic verdribbelt sich, Vienna-Stürmer Luxbacher schießt überlegt ein.
Viele Vienna-Fans haben das Tor nicht gesehen. Ein Spiel beginnt nicht immer mit dem Anpfiff, sondern manchmal auch erst in der 25. Minute. Dann nämlich, wenn man Karten für die Blaue Tribüne hat und zu Beginn der Partie mit 500 Vienna-Fans auf der Hernalser Hauptstraße steht. Nur ein Zugang ist offen, bei dem zwei Ordner den Einlass kontrollieren. Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, dass sie die 2-G-Regel besonders genau begutachten.
„Des gibt’s in kan Film net“, meint ein blau-gelber Anhänger im schönsten Wienerisch, um im Burgtheater-Deutsch anzufügen: „So etwas nenne ich Desorganisation.“ Ein weiterer Fan hat die Lacher auf seiner Seite als er „eine zweite Kassa bitte“ fordert.
Endlich im Innenraum, beginnt der Spießrutenlauf erst recht, weil die Ränge heillos überfüllt sind. Immerhin ist noch auf den Stufen Platz. Das wiederum hat den Nachteil, dass Menschen einem die Sicht verstellen oder über einen drüber kraxeln. Viele verlieren die Geduld und verlassen den Ort des Chaos und des Dilettantismus und gehen vorzeitig nach Hause.
Auf der Haupttribüne hat man den Vorteil, dass man gute Sicht aufs Spielfeld hat, während man in der Bierschlange steht – zu meinem Glück, denn es dauert 40 Minuten. Auf den nicht mehr ganz neuwertigen Holzbänken sitzen überwiegend Sport-Club-Fans, vereinzelt aber auch weit gereiste Gäste aus Döbling. Die dürfen auch aufspringen, wenn ihre Mannschaft ein Tor schießt. Ein paar böse Blicke ernten sie dafür, dann hört man aber nur – natürlich wieder in feinstem Wienerisch: „Gfreits eich net z’frua.“
Die Partie wird hitzig, der Schiedsrichter teilt Gelbe Karten aus. Auf der Friedhofstribüne wird zur Pause bereits analysiert. „Drückend überlegen sind wir nicht“, bringt es ein Fan auf den Punkt. Doch in der zweiten Halbzeit (immer noch kein Bier) kommt Stimmung auf, ein Sport-Club-Tor liegt in der Luft.
Auf der Haupttribüne wird vehement der Ausgleich gefordert. Das zweite Bier, welches ich mir in der ersten Halbzeit mitgenommen habe, ist auch leer. Die Chancen auf ein drittes stehen sehr schlecht. Ein zweites und ein drittes Tor schießt dann die Vienna, ein Kopfball nach einer Ecke und ein Konter.
Auf der Friedhofstribüne ist man sich einig, die Vienna hat verdient gewonnen, das 3:0 ist zu hoch. Einmal brandet doch noch Jubel auf. Exakt in Minute 90 läuft ein Flitzer von rechts über das Spielfeld. Auch diese Tradition lebt nach vier Jahren Derby-Pause wieder auf.
Am Ende ist’s egal, auf welcher Tribüne man auf sein Getränk gewartet hat, sich über Tore gefreut oder über die Organisation geärgert hat. Nach dem Spiel treffen sich die Fans beider Teams zur gemeinsamen Party hinter dem Stadion.
Auch das ist Tradition.
Von der Haupttribüne: Peter Gutmayer
von der Friedhofstribüne: Florian Plavec
Von der Blauen Tribüne: Alexander Strecha
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