Peter Pacult über Fußball, Fehler und Fans: "Rapid war das Größte"
Die Begrüßung macht Bob Marley. Wer Peter Pacult anruft, hört neben dem Klingelton die entspannten Rhythmen des Reggae-Musikers. Als der 61-Jährige abhebt, folgt die nächste Überraschung: Der Klagenfurt-Trainer steht gerade in seinem Appartement in Pörtschach, um zu kochen. Danach war ein Mittagsschlaferl geplant.
Für das Treffen mit dem KURIER vor dem Wiedersehen mit Rapid wird die Tagesplanung kurzerhand umgeworfen. So locker und entspannt wie sich das anhört, wirkt der Wiener auch im zweistündigen Gespräch.
Der private – ebenso humorvolle wie herzliche – Peter Pacult und die strenge, oft cholerische Trainerfigur haben sich über die Jahre angenähert. Der alte Spruch von seinen drei Meinungen („Eine für mich, eine für die Mannschaft, eine für die Öffentlichkeit“) gilt noch, aber der Trainer-Routinier ist lebensweise und altersmilde geworden.
Im Schlaraffenland
Nicht mehr jede Meinungsverschiedenheit im Verein muss zu einem Konflikt führen, nicht mehr jede als Provokation verstandene Frage eines Journalisten muss zum Showdown vor laufenden Kameras führen: „Wenn ich an die Medien in Deutschland denke, ist Österreich eh ein Schlaraffenland.“
Viele Stationen
Pacult hat viel erlebt: 1860 München, Dresden, Rapid, die Anfänge von RB Leipzig, aber auch Stationen am Balkan, bei denen die Spiele an einer Hand abzuzählen waren.
„In Deutschland war es immer sehr intensiv, aber sportlich ist es klar: Rapid war das Größte“, fasst der bislang letzte Meistertrainer der Hütteldorfer zusammen.
Im Winter kam es zum Comeback in Österreich: Aufstieg mit Klagenfurt, hieß die Vorgabe. Der Floridsdorfer lieferte, in der Relegation wurde St. Pölten gedemütigt: „Der Verein ist mit meiner Verpflichtung ein Risiko eingegangen. Umso schöner ist die Belohnung.“
Der Start in die neue Saison ist „trotz der schwierigsten Vorbereitung meiner Karriere“ und (laut Pacult) „vier ungerechtfertigten Roten Karten“ geglückt.
Die Stimmen, dass da ein den Laptop-Coaches hoffnungslos unterlegenes Relikt aus dem vorletzten Trainer-Jahrzehnt am Werk sei, sind verstummt.
Pacult genießt die Ruhe: „Ich habe – hauptsächlich wegen Corona – noch nie so wenig Kontakt mit Journalisten gehabt. Im Nachhinein gesehen war das auch gut so: Sonst wäre vielleicht Unruhe entstanden, als es so ausgesehen hat, dass wir den Aufstieg nicht schaffen.“
Kultig wurde jene Pressekonferenz, in der sich der Bier-Liebhaber beim Hinsetzen über die vor ihm platzierte „Hirter“-Flasche wunderte. „Alkoholfrei? Leg’ a Malbuch a no dazua“, witzelte Pacult.
„Nicht einmal der Pressesprecher hat gewusst, dass die Mikrofone schon eingeschalten waren. Das war Stegreif, aber ich freu’ mich, dass es so viele lustig gefunden haben. Anders als meine alten Rapid-Interviews auf Youtube.“
Meister statt Rauswurf
Rapid war prägend für den Happel-Schüler. Fehlstart 2006, um ein Haar hätte der frühere Klassestürmer seine erste Weihnachtsfeier nicht miterlebt. „Später hab’ ich mich gefragt: Wie deppert kann ein Verein sein? Im September muss Zellhofer gehen und im Dezember dann beinahe ich? Man muss jedem Trainer seine Zeit geben.“
Die Zeit brachte das legendäre 7:0 in Salzburg und den Titel 2008.
Pacult nennt ein noch nicht bekanntes Erfolgsrezept: „Ich war lange Co-Trainer bei 1860 und habe deswegen gewusst: Das Wichtigste ist, dass die Ersatzspieler voll dazu gehören und keine Unruhe reinbringen. Kulovits, Eder, Harding – das waren die Wichtigsten für mich. Die haben im Training immer Gas gegeben und waren dann auch voll da, wenn wir sie gebraucht haben.“
Ein Jahr später musste der bei den Spielern beliebte Zoran Barisic als Co-Trainer gehen. Pacult verrät: „Wir haben uns ausgesprochen. Es gab ein geheimes Treffen – das musste keiner sehen.“
Die Saison 2010/’11 lief schlecht. „Da ist viel zusammengekommen: Boskovic wurde abgegeben, statt Jelavic ist ein holländischer Wenigtor (Vennegoor of Hesselink, Anm.) gekommen und dann hatte Steff auch noch eine Schambeinentzündung.“
Nach einem Treffen mit Red-Bull-Boss Mateschitz kam im April 2011 das dramatische Aus. Auch mit Rudolf Edlinger gab es noch lange vor dem Tod des Ehrenpräsidenten ein klärendes Gespräch: „Wir waren uns einig, dass wir das auch anders lösen hätten können.“
Selbst mit dem damaligen Anführer der Ultras, wegen Pacults Vergangenheit bei der Austria in herzhafter Abneigung verbunden, gab es ein entspanntes Gespräch: „Wir haben uns gedacht: ’Hoppla, der ist ja gar nicht so’.“
Draht zu Mateschitz
Mit Milliardär Mateschitz konnte der Kantige immer gut: „Er mochte mich und meine klaren Worte.“ Wenn Salzburg-Trainer Moniz 2012 nicht mit dem Rücktritt eine Kettenreaktion ausgelöst hätte, wäre nicht Ralf Rangnick gekommen – und Pacult wäre in Leipzig im Amt geblieben.
„Während die damals mächtigen Holländer Didi Mateschitz noch viel Geld gekostet hätten, ist mit Rangnick der Erfolg gekommen“, analysiert Pacult – ganz locker und emotionslos.
Der Mann, der im ersten KURIER-Porträt als Rapid-Trainer „Selfmade-Grantscherbn“ genannt wurde, ist offensichtlich mit sich und seiner Fußballwelt im Reinen: „Es war früher nicht alles besser. Genauso wie jetzt nicht alles gut ist. Die Zeiten ändern sich – damit hat ein Trainer umzugehen.“
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