Im Fall des unter Regie des Deutschen Ralf Rangnick beliebt gewordenen österreichischen Nationalteams kommt hinzu, dass es sich – zu konträr zum Narrativ „dumpfe Kicker“ – um eine Truppe mit respektablem Bildungsniveau handelt. Um Spieler, die im Nationalteam nicht allein des Geldes wegen bis zu 13 Kilometer pro Qualifikationsspiel rennen. Ganz abgesehen davon, dass die beim ÖFB verdienten Prämien ohnehin Peanuts im Vergleich zu den Klubgagen sind.
Die Mehrheit von Rangnicks Auserwählten hat ihre schulische Reifeprüfung schon vor oder parallel zur Karriere bestanden.
Teamdebütant Maximilian Entrup wurde anfangs Oktober im Festsaal des akademischen Gymnasiums Wien ein Diplom nach sechssemestriger Sportlehrerausbildung überreicht.
Christoph Baumgartner, der soeben wieder Liebhaber feiner Kickerkunst per Zaubertor entzückte, war in St. Pölten ein so guter Akademie-Zögling gewesen, dass man ihn in der Oberstufe sogar eine Schulstufe überspringen hat lassen.
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Kluge Köpfe wie Sebastian Prödl (schloss in Genf die UEFA-Sportmanagementausbildung als Kursbester ab), Marc Janko, Julian Baumgartlinger oder Florian Klein gehörten freilich schon jenem hochgejubelten Team an, das sich souverän für die Endrunde 2016 qualifizierte, bevor es in der Endrunde früh scheiterte.
Die Erinnerung an so rasch verwelkten Vorschusslorbeer ist ein Mitgrund, der die aktuellen Nationalspieler den Ball bemerkenswert flach halten lässt. Konträr zum Boulevard spuckt nach dem 2:0 gegen Deutschland kein Spieler große Töne. Auch Kapitän David Alaba nicht. Gerade ihm, der sich auch außerhalb des Feldes zur Führungsfigur entwickelte, ist vor Mikrofonen nie eine vorlaute Äußerung zu entlocken.
Alaba hatte sich zwar mit Wiener Grundschuljahren begnügt. Die Horizonterweiterung, die er sich seit 14 Jahren in München und Madrid aneignete, dürfte ihn aber fast mehr noch als eine Matura reifen hat lassen. Wobei Jungkicker das Beispiel Alaba nicht zum Schulabbruch verleiten sollte. Zumal es kaum drei Prozent von jenen 125.000 Jugendlichen, die Woche für Woche in Österreich dem Ball nachlaufen , später in Profiligen schaffen. Und dass es einer wie Alaba vom Vorstadttalent aus Wien 22 zum dreifachen Champions-League-Sieger und dreifachen EM-Starter wird, kommt – wenn überhaupt – alle 50 Jahre vor.
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